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Der Kindergarten-Effekt bringt's

■ Beim 0:0 gegen Werder Bremen probiert es Hertha BSC bereits mit den Liberi Nummer drei und vier/ Die Oldies sind verletzt

Charlottenburg. Kaum glaublich, daß es noch geschehen konnte, nun ist es eingetreten. Was die Herthaner in der letzten Saison mehr als ein Dutzend Mal locker fabrizierten, gelang ihnen im siebten Bundesligaspiel zum ersten Mal: Sie überstanden die neunzig Minuten tatsächlich ohne Gegentor. Sicherlich trug dazu der als Glücksbringer im Stadion erschienene Philosoph A.E.A. Hey mit bei, haben doch die Herthaner bei seiner Anwesenheit noch nie verloren; aber wie es ihnen nun gelang, obwohl oder weil der Gegner diesmal Werder Bremen war, ist fußballtheoretisch gesehen schon eine knifflige Frage. So soll also erst die Beschäftigung mit der Werderaner Leistung Aufschluß darüber geben.

Gemeinhin gelten die Bremer ja als Mannschaft, die es versteht, unterhaltsam gegen den Ball zu treten, was denn auch überraschenderweise 17.000 zahlende Männer und fast 4.000 von Hertha eingeladene Frauen ins Olympiastadion lockte. Vielleicht auch mit der nicht unberechtigten Hoffnung auf den ersten Hertha-Sieg in den Köpfen; schließlich mußten die Bremer nach ihren letzten beiden Auftritten in Berlin immer mit einer ordentlichen Packung nach Hause fahren.

Daß es auch diesmal eigentlich so hätte kommen müssen, darin mühten sich die Gäste aus dem ostfriesischen Grenzgebiet redlich. Zwar stellte Trainer Otto Rehhagel wieder drei Stürmer auf den Platz, nur versuchte das bei Heimspielen so starke Trio Rufer, Neubarth, Allofs gar nicht erst, die berüchtigte Blindheit der Hertha-Abwehr ernsthaft auszuprobieren. Am schlimmsten benahm sich dabei der gute Klausi Allofs, eigentlich trotz seiner 33 Jahre einer der Besten im Lande; er schwurbelte auf dem Platz herum, als leide er seit seiner Marseiller Zeit an chronischer Bouillabaisse-Vergiftung.

Ohne Kompromiß orientierten sich seine Kollegen an dieser Leistung, will sagen, daß das Bremer Spiel eine ziemlich konfuse und langweilige Angelegenheit war; so schröcklich wurde der Ball zwischen Torwart Reck und den Verteidigern hin- und hergeschossen, daß Rehhagels Ausrede, wegen Verletzung hätte das komplette Mittelfeld gefehlt, hiermit für ungültig erklärt wird. Für jeden anderen Bundesligisten eine prima Gelegenheit, was fürs Torverhältnis zu tun, nur Hertha BSC machte wieder mal deutlich, daß sie in der momentanen Verfassung wohl nur gegen Schweinfurt gewinnen könnte. Aber, wie gesagt, es war ja schon ein Erfolgserlebnis, kein Gegentor kassiert zu haben. Und Werner Fuchs, der nun ganz sicher weiß, daß er bis zum Saisonende Trainer bleiben darf, hatte keinerlei Hemmungen mehr, die Hertha zur Versuchsanstalt umzufunktionieren. Der erste Trick gelang in der bisher so konfusen Abwehr. Dort durfte sich anfangs Regisseur Patzke als Libero Nummero drei versuchen, sorgte dort eher für Verwirrung und fehlte sichtbar im Mittelfeld. Als er wegen einer Knieverletzung ausscheiden mußte, versuchte es Halvoresen als Libero Nummero vier mit überwältigendem Erfolg.

Fuchsens zweiter Trick nun war aber gar nicht so neu. In seiner Personalnot, ohne große Wahl, setzte er auf den »Kindergarten«-Effekt und ließ gleich vier Teenies über den Platz flitzen. Die gleichen Bubis, die schon vor zwei Jahren als A-Jugendliche entscheidend dafür sorgten, daß Hertha in der gleichen miserablen Situation nicht aus der zweiten Liga abstieg. Zwischenzeitlich sollten Zernicke, Kretschmer, Lünsmann und der neu dazugekommene Scheinhardt geschont werden, doch durch die blamablen Leistungen der älteren Kollegen bekamen sie eine Chance und verhalfen Hertha zurück zu der altbekannten Hühnerhaufen- Chaos-Taktik. Gegen Bremen bedeutete dies, daß die Berliner nur mit Abwehr und Angriff spielten, im Mittelfeld stand der arme Schlegel meist ganz allein, traute sich aber einmal, gut hörbar gegen die Latte zu bolzen. Ansonsten nur planloses und unkoordiniertes Gedaddel, einzig Zernicke kümmerte sich nicht nur erfolgreich um Rufer, sondern auch um sinnvolles Aufbauspiel, später wühlend und wurschtelnd unterstützt von Gries, der auch den Paß gab für die einzig richtige Hertha-Chance. Nur leider vergab, völlig freistehend und ein wenig überfordert, Kretschmer. Nun, irgendwelche Hoffnungen, nachdem nun der zweite Punkt erkrampft wurde, von wegen Erhalt der Liga, sollten ganz schnell vergessen werden. Dazu zeigte sich einfach zu deutlich, daß Hertha BSC spielerisch viel zu wenig zu bieten hat, um selbst gegen so schwache Mannschaften wie Bremen gewinnen zu können, was sie eigentlich müßten. Womit eigentlich nur gesagt werden soll, daß es bei Spielen im Olympiastadion wohl weiterhin so trostlos zugehen wird wie am Samstag. Schmiernick

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