Sachsen bastelt an Mediengesetz

■ Interview mit W. Kleinwächter, Mitglied der Initiative Sächsisches Landesmediengesetz

taz: Herr Professor Kleinwächter, die „Initiative Sächsisches Landesmediengesetz“ (ISL), deren stellvertrender Vorsitzender Sie sind, hat vergangene Woche auf ihrer dritten Plenartagung drei Gesetzentwürfe — einen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen für den Privatfunk und einen für Presse in Sachsen verabschiedet.

Kleinwächter: Zunächst muß man davon ausgehen, daß nach Artikel 36 des Einigungsvertrages der Rundfunk der DDR und der Deutsche Fernsehfunk bis spätestens 31.Dezember 1991 aufgelöst werden. Zuständig für Rundfunkangelegenheiten sind dann die Länder. Wir schlagen vor, durch Gesetz einen „Sächsischen Rundfunk“ (SRF) zu schaffen, der, wie andere Landesrundfunkanstalten, gleichberechtigtes Mitglied der ARD wird.

Was soll ein Sächsischer Rundfunk, der ja dann für Hörfunk und Fernsehfunk zuständig ist, senden?

Neben mehreren Hörprogrammen — dem jetzigen Sachsenradio — soll ein SRF eigene Beiträge zum ersten Fernsehprogramm der ARD liefern und täglich ein zweistündiges „Sachsenfenster“ für die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr produzieren. Gemeinsam mit anderen Landesrundfunkanstalten soll des weiteren ein „Drittes Programm“ produziert werden. Dies könnte analog N 3 oder Bayern 3 ein „O 3“ sein, das von den fünf Ländern der ehemaligen DDR unter Nutzung der Adlershofer Porduktionskapazitäten gemeinsam veranstaltet wird.

„O 3“ wäre also eine Kombination von DFF 1 und DFF 2?

Mehr Nein als Ja. Wenn Rundfunk Ländersache ist, muß das Programm auch von dort ausgehen. Ein von Berlin für den „Rest“ der ehemaligen Republik gemachtes Programm will keiner mehr. Das Selbstbewußtsein der Länder wird schnell wachsen. Andererseits wäre es sinnlos, die Adlershofer Kapazitäten ungenutzt zu lassen und gute DFF-Sendungen nicht fortzusetzen.

Wer soll denn das bezahlen?

Öffentich-rechtlicher Rundfunk finanziert sich vorwiegend aus Gebühren sowie aus Werbung. Das Gebührenaufkommen in Sachsen wird nach erfolgter Gebührenerhöhung rund 250 Millionen D-Mark betragen. Für ein einigermaßen gutes eigenständiges Fernsehprogramm braucht man aber mindestens 500 Millionen D-Mark. Allein das macht deutlich, daß für ein drittes Programm Partner benötigt werden. Sollte ein „O 3“ nicht zustandekommen, wäre z.B. ein „Drei-Länder- Programm“ mit Thüringen und Sachsen-Anhalt auch denkbar.

Wer sitzt der ISL?

Insgesamt sind wir in den drei Arbeitsgruppen über 50 Mitglieder. Vorwiegend sind das Medienpraktiker und Wissenschaftler. Mitgearbeitet haben Vertreter des Hör- und Fernsehfunks sowie die Verleger- und Journalistenverbände in Sachsen. Der Vorsitzende der ISL, Dr.Helmuth Schmidt aus Dresden, ist mittlerweile zum Landesstrukturbeauftragten für Medien bei der Bezirksverwaltungsbehörde in Dresden berufen worden.

Der ISL ist gelegentlich in der Presse der Vorwurf gemacht worden, sie wäre vom Bayrischen Rundfunk ferngesteuert worden?

Dies ist absolut falsch. Natürlich wäre es Unsinn, das Fahrrad neu erfinden zu wollen, d.h. sich völlig neue Mediengesetze auszudenken. Selbstverständlich haben wir gründlich die Rundfunk- und Pressegesetze der Länder der BRD studiert, denn in diesen Gesetzen steckt viel geronnene demokratische Erfahrung. Wir haben auch über den deutschen Zaun geschaut, nach Großbritannien, Österreich und Norwegen. In der BRD gibt es mehrere Modelle? Haben Sie eines bevorzugt?

Nein, wir haben stets geprüft, wer unseren sächischen Interessen und Erfahrungen entspricht. Ein Beispiel hier ist die vorgeschlagene Regelierung der Redaktionsvertretung. Beim Bayerischen Rundfunk herrscht z.B. das Intendantsprinzip. Die Mitwirkungsrechte der Redakteure sind im Gesetz über den BR nur schwach ausgestattet. Das Gesetz über den westdeutschen Rundfunk sieht hingegen entsprechende Mitwirkunsgrechte vor.

Soll es auch Privatfunk in Sachsen geben?

Wenn im ganzen Bund das duale System gilt, kann Sachsen keine Ausnahme machen. Die ISL hat sich von vornherein für eine möglichst vielfältige Medienlandschaft eingesetzt. Monopole, auch eine Erfahrung aus der Vergangenheit, richten mehr Schaden an als sie nutzen, auch wenn sie sich zu löblichen Zielen bekennen. Privatfernsehen schafft neue Vielfalt. Konkurrenz belebt das Geschäft. Das muß auch bei der Frequenzvergabe berücksichtigt werden. Dabei sollten aber nicht nur die großen überregionalen privaten Veranstalter zu Wort kommen, sondern auch regionale und lokale Anbieter wie etwa der Leipziger „Kanal X“.

Wie geht es jetzt mit Ihren Gesetzentwürfen weiter?

Am 25.Septenber findet in Leipzig ein Seminar zum Thema „Privater Rundfunk in Sachsen“ statt, das die ISL gemeinsam mit dem Institut für internationale Studien der Univertsität Leipzig und RTL plus veranstaltet. Dann folgen die Wahlen und die Bildung des Landestags. Auf einer vierten Plenartagung der ISL am 1.November 1990 in Leipzig wollen wir die Diskussion unserer Entwürfe auswerten. Anschließend wird der Vorsitzende der ISL die drei Gesetzentwürfe offiziell dem Präsidenten des Sächsischen Landtags übergeben. Interview: Andreas Francke