: Saudi-Arabien auf Konfrontationskurs
■ Stimmung am Golf verschlechtert sich/ König Hussein attackiert Jordanien/ Assad ehrt Khomeini/ Bush schließt Erstschlag gegen Irak nicht aus/ Truppenkonzentrationen und Ölpreise steigen
Amman/Bagdad/Washington (dpa/adn/ap) — In einer dramatischen Verhärtung in der Golfkrise hat Saudi-Arabien 20 jordanische Botschaftsangehörige aus Riad ausgewiesen und die Hälfte der saudischen Rohöllieferungen an Amman gestrichen. Auch 46 Botschaftsangehörige des Jemen wurden des Landes verwiesen. Die Ausweisungen wurden mit „terroristischen Umtrieben“ und „Spionage“ begründet, die Lieferungskürzungen mit ausbleibenden Zahlungen.
Die Ausweisungen, von denen schon am Mittwoch die Rede war, wurden erst offiziell, nachdem Jordaniens König Hussein am Samstag in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN eine „zügige und organisierte Demokratisierung“ der arabischen Staaten gefordert hatte. Daraufhin wurde den Jordaniern in Riad „Einmischung in Sicherheitsangelegenheiten des saudischen Königshauses“ vorgeworfen. Ein jordanischer Regierungsbeamter nannte die saudische Handlungsweise „unausgereift und unvernünftig und für den Stand der Saudis in der arabischen Welt sehr schädlich“. Zur Öllieferungskürzung hieß es in Amman, man sei nun möglicherweise gezwungen, mehr Öl aus dem Irak zu importieren, der an Jordanien zum Vorzugspreis von 16,4 Dollar pro Barrel liefert — die Hälfte des Weltmarktpreises.
Am Samstag wurde unterdessen bekannt, daß die USA statt der ursprünglich vorgesehenen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien im Wert von rund 20 Milliarden Dollar nur noch etwa die Hälfte liefern wollen. Besonders die ablehnende Haltung der US-Regierung zur Forderung Israels, als Ausgleich zusätzliche Finanzhilfe zu bekommen, hat im Kongreß den Widerstand gegen das Waffengeschäft mit den Saudis wachsen lassen. Außerdem befürchtet die Regierung nach Berichten der 'Washington Post‘ eine innenpolitische Auseinandersetzung über den Rüstungsexport.
Mit der Ankunft von rund 15.000 Mann aus Ägypten setzte sich am Wochenende der internationale Truppenaufmarsch in Saudi-Arabien fort. Die Vereinigten Staaten verfügen in der Krisenregion inzwischen über etwa 140.000 Mann Militärpersonal mit rund 500 Flugzeugen und etwa 45 Schiffen. Frankreich, das schon über 10.000 Soldaten sowie 15 Kriegsschiffe entsandt hat, begann am Freitag mit der Verlegung von weiteren 4.200 Soldaten. Großbritannien hat etwa 6.000 Militärangehörige in der Region, eine Reihe anderer Länder hat kleinere Kontingente entsandt.
Während der militärische Aufmarsch im Golfgebiet vorangetrieben wird, eskaliert auch der „Krieg der Worte“ zwischen George Bush und Saddam Hussein. Die irakische Nachrichtenagentur 'ina‘ beschuldigte am Samstag Washington, einen Vorwand für einen militärischen Angriff gegen Irak zu suchen, und drohte mit Reaktionen überall in der islamischen Welt. Bush hatte am Freitag abend gegenüber Bagdad abermals mit „ernsthaften Konsequenzen“ gedroht, falls der Irak terroristische Angriffe auf amerikanische Ziele unterstütze, und einen Erstschlag gegen den Irak nicht ausschließen wollen: Er wolle sich in der Frage, ob die USA militärische Feindseligkeiten beginnen würden, nicht festlegen lassen. Die Worte von Bush provozierten den „Verdacht“, daß Washington „eine bewaffnete Aggression plant“, hieß es am Samstag in einer über Radio Bagdad verlesenen Erklärung.
Wie inzwischen bekannt wurde, hat Saddam einen engen Vertrauten, seinen Cousin Ali Hassan al-Madjid, zum Gouverneur des annektierten Kuwaits gemacht, das nun „Kadhima“ heißt. Al-Madjid war seit März 1987 Polizei- und Armeeführer im Nord-Irak gewesen und damit für die zwei Monate später begonnene Vertreibung der Kurden sowie den C-Waffen-Einsatz in Halabja verantwortlich.
Am Samstag — auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Beginn des irakisch-iranischen Krieges — reiste Syriens Präsident Hafez al-Assad zu mehrtägigen Besprechungen mit der iranischen Führung nach Teheran. Assad legte einen Kranz am Grab des Ajatollah Khomeini nieder und nannte diesen „den wahren Führer der Moslems in der Welt“. Rafsandjani sagte, beide Staatschefs lehnten sowohl die irakische Besetzung Kuwaits sowie eine dauernde amerikanische Präsenz in der Region ab.
Die Außenminister der 15 Mitgliedsstaaten des UNO-Sicherheitsrates planen nach Angaben des US- Außenministeriums eine außerordentliche Sitzung am morgigen Dienstag, auf der über die Verhängung einer Luftblockade gegen Irak entschieden werden soll. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates hatten sich am vergangenen Mittwoch grundsätzlich darauf geeinigt, die gegen Bagdad verhängte Blockade auf den Luftraum auszudehnen.
Nach allgemeinen Erwartungen wird es nach Verhängung des Luftblockade erlaubt sein, daß Kampfflugzeuge in nationalem oder internationalem Luftraum solche Maschinen abfangen und zur Landung zwingen dürfen, die als Blockadebrecher gelten. Nicht zulässig wird dagegen der Abschuß sein. Staaten, die zulassen, daß Blockadebrecher von oder nach Irak auf ihrem Gebiet landen, müssen aber möglicherweise ebenfalls mit Sanktionen rechnen.
Die führenden Industrienationen haben auf ihrem G-7-Treffen den IWF und die Weltbank aufgefordert, „angemessene Maßnahmen“ zugunsten der von der Krise am härtesten in Mitleidenschaft gezogenen Länder zu ergreifen, und begrüßten die bereits gewährte Unterstützung an Jordanien, die Türkei und Ägypten. Ägyptens Ministerpräsident Atef Sedki behauptete am Samstag, allein sein Land habe durch die Golfkrise Devisenverluste in Höhe von 4,52 Milliarden Dollar erlitten. 288.000 Ägypter seien aus dem Irak und Kuwait nach Ägypten zurückgekehrt und hätten Werte von zehn bis zwölf Milliarden Dollar hinterlassen. Am Wochenende wurde Rohöl in New York erstmals seit Beginn der Krise mit über 35 Dollar pro Barrel notiert.
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