: Einsam, Texas, Macho
■ Lee Clayton war am Sonntag im Modernes / US-typischer Mainstream
Als einem der wenigen US-amerikanischen Country-Sänger gelang es Lee Clayton 1979, mit seiner LP „Naked Child“ kurzfristig die Grenzen seiner Südstaaten- Fangemeinde zu überwinden und die internationale Rockszene in Begeisterung zu versetzen. Und das, obwohl er das Image des „always-back-to-the-wall“ umhereinsamenden Texas-Macho ohne jeglichen ironischen oder intellektuellen Abstand auf eine naive Weise transportierte — vor der sich europäische Ohren normalerweise leicht angewidert zu verschließen pflegen.
Doch er verstand es, seine teilweise unfreiwillig komischen Modern-Cowboy-Verse mit einem damals ziemlich einmaligen Gitarren-Drive zu unterlegen. Außerdem brauchte man ihm nicht zu glauben: Seine gebrochene, häufig an rauhem Sprechgesang angelehnte Interpretationnsweise legte den Schluß nahe, daß hier einer singt, der sich mühsam an den eigenen Haaren über dem Sumpf hält. „Tequila is addictive“, sang er noch 1988, und wenig später trieben ihn Alkoholprobleme von der Bühne — in die kalifornische Wüste, wie imagegerecht kolportiert wurde.
Sein derzeitiges „Comeback“ ist denn auch wie üblich nicht mehr als der Versuch, die — unbestrittene — Faszination der alten Erfolgssongs wiederzubeleben.
Eine junge, deutsch-norwegisch-amerikanisch besetzte Band steht ihm zur Seite, handwerklich gut sortiert, aber nicht mehr.
Und die einst sich so klug über Baß-und Gitarrenriffs steigernden wohlfeilen Arrangements geraten heuer prompt zu hartem, US-typischem Mainstream-Material. Das damals vorwiegend von der Gitarre getragene Konzept wird nun massiv durch keyboards verstärkt, deren altmodischer Lesley-Sound allem noch einen zusätzlich rockklassischen Charakter gibt.
Claytons heiser-nölige, nur in höheren Lagen sichere Stimme, erlaubt zudem keine größeren kompositorischen Ausflüge: Die Songs gleichen sich sehr, vor allem die neueren sind allesamt nach straightem Rockschema konzipiert.
Doch gegen Ende, als die Band zunehmend konsequenter zur Sache geht und auch Clayton an Sicherheit gewinnt, bekommt das Konzert mehr Profil. Das harte Rockfundament unter den brüchigen Folkmelodien erinnert da auf nicht unangenehme Weise an den späten Dylan und seinen Versuch, Anschluß an die Rockgemeinde der 60er Jahre zu finden. Clayton, inzwischen wohl Ende 40 und in seinem Lederjacken-Outfit an vergangene Airforce-Zeiten erinnernd, verschafft sich zudem einen passablen Abgang: Mit „10 000 Years/Sexual Moon“ brachte er als Zugabe den wohl einzigen herausragenden Song, den er je produziert hat.
Rainer Köster
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