piwik no script img

Ein langer Weg bis Monterey

■ Martin Scorseses „Alice lebt hier nicht mehr“ um 21 Uhr auf Sat.1

Der 1942 geborene US-Regisseur Martin Scorsese ist eigentlich eher bekannt als Regisseur von Filmen, in deren Mittelpunkt charismatische, durchaus auch zwiespältige Männerfiguren stehen. Das wird schon daran deutlich, daß seine Filme mit einem Schauspieler in Verbindung stehen, dessen Name schon beinahe Synonym für ein Scorsese-Produkt geworden ist: Robert de Niro. In dem 1974 fertiggestellten Spielfilm Alice lebt hier nicht mehr wirkt der exaltierte de Niro nicht mit. So bleibt, trotz eines Auftritts des anderen Scorsese-Wegbegleiters Harvey Keitel, viel Platz und Entfaltungsmöglichkit für die von Lee Strasberg ausgebildete Schauspielerin Ellen Burstyn, einfühlsam und naturalistisch das Porträt einer urplötzlich zur Witwe gewordenen, nunmehr alleinerziehenden Mutter zu entwickeln. Die Ehe dieser Alice Graham war nicht sonderlich glücklich, und so bedeutet der Unfalltod ihres Mannes beinahe so etwas wie eine Befreiung. Die unvermittelte Ungebundenheit ermöglicht Alice, den schon beinahe aufgegebenen Wunsch nach einer Karriere als Sängerin erneut ins Auge zu fassen. Mit ihrem elfjährigen Sohn Tommy macht sie sich auf in Richtung Monterey, für Alice Inbegriff eines selbstbestimmten, sorgenfreien Lebens. Zunächst aber hangelt sie sich mit Gelegenheitsjobs von Ort zu Ort, arbeitet als Sängerin oder Serviererin. Dabei bleiben Männerbekanntschaften nicht aus. Ben Everhart (Harvey Keitel), ein junger Cowboy, erweist sich beim zweiten Hinsehen als Inkarnation ihres verstorbenen Gatten. Alice flieht förmlich vor seinen infantil-gewalttätigen Ausbrüchen. Eine Restaurant ist die nächste Station, wo Alice immerhin in der burschikosen Kellnerin Flo eine verwandte Seele erkennt, mit der sie Freundschaft schließt. Schließlich begegnet sie dem Viehzüchter David (Kris Kristofferson), einem liberalen Eigenbrödler, der erst nach einigen Auseinandersetzungen Alices Wunsch nach unabhängiger Lebenserfahrung begreift. Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen