Stromer gegen den Strom der Zeit

■ Drogenhilfe e.V. will mit 12 Ex-Junkies in Stromer Bauernhof einziehen

Ganz sicher wissen derzeit die meisten StromerInnen, was sie nicht wollen: Daß 12 ehemalige Drogenabhängige, die über das Bremer Methadonprogramm den Ausstieg aus Sucht und Beschaffungskriminalität versuchen wollen, mit Therapeuten der Drogenhilfe e.V. in ihrem Dorf ein Haus beziehen. Dagegen hat sich bereits eine Anwohnerinitiative gebildet. Transparente überspannen die Straßen in dem 400-Seelen-Stadtteil zwischen Güterverkehrszentrum, Klärwerk und verseuchtem Hafenschlick. Der Stromer Protest, massiv, emotional und mit zwei mehrheitlichen Beiratsbeschlüssen belegt, scheint allerdings ohne sachkundiges Wissen entstanden: In der zweiten öffentlichen Beiratssitzung zu dem Wohnprojekt für Ex- Junkies ließen sich die BürgerInnen nicht davon abbringen, daß damit Fixer mit Spritzen im Arm in ihren Dorfalltag eindringen werden.

In „Wilkens Bauerndiele“ zeigten Genossen und BewohnerInnen am Dienstagabend unter verstaubten Faschingsgirlanden und röhrendem Hirsch in Öl, daß die Diskussion von Senat und SPD-Bürgerschaftsfraktion um Drogenhilfeplan und Methadonbehandlung an ihnen spurlos vorübergezogen war. Sie bezeichneten das Wohnprojekt unbeirrt als „Rehabilitationszentrum“.

Als Dr. Gert Schöfer von der Gesundheitsbehörde die Drogensucht als Krankheit und die Methadonbehandlung als u.U. unbegrenzte medizinische Therapie wie bei der Insulinvergabe beschrieb, da fühlten die Stromer sich angegriffen: Mit Drogensüchtigen wollten sie unter gar keinen Umständen in einen Topf geworfen werden.

Und überhaupt: Warum der sozialdemokratisch geführte Senat „dafür“ soviel Geld ausgebe? Das wiederum ließ die sonst pastörlich beschwichtigende und um Verständnis bittende Sozialsenatorin barsch aufbrausen: Solche Argumente verbitte sie sich. Sie gebe soviel Geld aus wie notwendig ist, damit Menschen in Bremen endlich menschenwürdig Leben können. Und Schöfer betonte: „Es gibt keine guten und keine schlechten Kranken.“

„Das Heraushalten aus gesellschaftlichen Schwierigkeiten kann Strom für sich nicht reklamieren“, erklärte Sabine Uhl den Versammelten. Außerdem sei Strom eine derart geschlossene und stabile Gemeinschaft, daß ihr das Leben mit den Abhängigen zuzumuten sei. Die Senatorin machte den StromerInnen aber auch klar: Gegen das Projekt haben sie keine Chance. Zum 1.10. soll der Mietvertrag beginnen.

Trotzdem lehnte die große Koalition aus je 3 CDU-und SPD- Beiräten das Substituiertenprojekt einstimmig ab. Ein SPD-Beirat war zuvor bereits aus Protest zurückgetreten. ra

(Dieser Text erschien gestern aus technischen Gründen leider unvollständig.)