: Vulkans Hennemann greift nach DDR-Werften
■ Kooperationsvertrag mit DDR-Werften / Bis 1993 dreißig Prozent Entlassungen in Rostock
Friedrich Hennemann hat wieder zugeschlagen. Der Vorstandsvorsitzende des Bremer Vulkan hat seine Finger nach allen DDR- Werften ausgestreckt. Als erster Schritt dient ein Kooperationsvertrag mit der Deutschen Maschinen- und Schiffbau AG (DMS) in Rostock, dem möglicherweise Mitte nächsten Jahres bereits die Fusion folgen soll. Die DMS ist der Zusammenschluß aller DDR-Werften.
Die Zusammenarbeit betrifft die drei Produktionsbereiche Schiffbau, Meerestechnik und Prdukterweiterung (Diversifikation). Eine Arbeitsgruppe aus je vier Vertretern des Vulkans und der DMS soll die Zusammenarbeit organisieren. Jeder Unternehmensbereich der DDR- Schiffbauer wird auf Produktivität und Zukunftschancen überprüft. Bereits jetzt ist klar, daß von den 35.000 Beschäftigten der DMS bis 1993 15.300 ArbeitnehmerInnen entlassen werden.
Die DDR-Werften bringen einen vielversprechenden Markt mit in die Zusammenarbeit. 60 Prozent der Produktion lieferten sie bislang in das Land der Perestroika. Hauptziel der künftigen Arbeit in den DDR-Betrieben sei die Umstellung auf schiffsfremde Fertigung, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DMS, Jürgen Begemann. Die neuen Produkte sollen knapp ein Drittel der Gesamtfertigung ausmachen. Die DDR- Treuhandgesellschaft hat der Zusammenarbeit bereits zugestimmt. Senatssprecher Klaus Sondergeld begrüßte gestern den Vertrag. „Es geht hier nicht um Übernahme, sondern um Kooperation.“ Für eine solche Zusammenarbeit sei der Vulkan wegen seines know-hows gut geeignet. Für Bremen habe der Vertrag keinerlei Konsequenzen: „Bisher ist noch niemand mit Geldforderungen an uns herangetreten.“
Der Bremer Griff nach den DDR-Schiffbauern löst in der Werftenbranche Skepsis aus. Wie das Hamburger Abendblatt gestern berichtete, hält der Vorstandsvorsitzende der Howaldtswerft, Klaus Neitzke, die DDR- Werftprobleme für unlösbar. „Die Preise sind nicht kostendeckend, und wir wissen zur Zeit überhaupt nicht, was mit den Aufträgen und den einzelnen Betrieben passieren wird.“ Die Verluste der DDR-Werften betrügen zur Zeit 4,5 Milliarden Mark.
Hennemanns Zugriff auf die DDR-Betriebe wird in der Branche als „Gigantonomie“ bezeichnet. Hennemann baue Schritt für Schritt einen Superkonzern auf, mit dem er sich Millionen an Subventionen erpressen könne. Unter seiner Ägide hat sich der Bremer Vulkan unter anderem die Lübecker Flender-Werft, die Systemtechnik Nord und die Wohlenberg KG einverleibt. Der erste Halbjahresumsatz 1990 des Konzerns beläuft sich auf 1,192 Milliarden Mark. Markus Daschner
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