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Ein Ticket in den Krieg

■ Ein aktueller Beitrag zum »Tag des Flüchtlings«/ Eine 13jährige Kurdin soll nach Ostanatolien abgeschoben werden, obwohl nach Weisung der Innenverwaltung Kurden Aufenthaltsrecht haben

West-Berlin. Türkan Kocadag aus Ostanatolien ist 13 Jahre alt. Seit August 1989 lebt sie in Berlin. Die Eltern konnten sie in der Heimat nicht mehr ernähren, und Verwandte nahmen sie hier auf.

Am 9.5. erhielt Türkan ein Schreiben von der Innenverwaltung. Sie hätte Berlin innerhalb von vier Wochen zu verlassen. Türkans Unglück: Sie geht hier zur Schule — und die Kanäle zwischen Schulverwaltung, Einwohnermeldeamt und Ausländerbehörde funktionieren bestens. Über die Schulanmeldung wurde das Kind erfaßt, und nur deshalb fingen die Mühlen der Bürokratie an zu mahlen. Rechtsanwalt Rosenkranz übernahm den Fall und legte bei der Innenbehörde Widerspruch ein. Mit guten Aussichten auf Erfolg, denn Türkan ist Kurdin.

Und Kurden, so eine Weisung der Innenverwaltung vom 20.6.89, dürfen, wenn »eine gezielte Benachteiligung aufgrund der Volkszugehörigkeit zu befürchten ist«, nicht abgeschoben werden. Sie haben einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Offensichtlich wird diese Weisung flexibel ausgelegt. Am 28.8. flatterte ein neues Schreiben der Gastfamilie ins Haus. Der Widerspruch des Rechtsanwaltes sei abgelehnt, hieß es. Türkan hätte sich unverzüglich mit einem Flugticket bei der Ausländerbehörde einzufinden, andernfalls würde die zwangsweise Abschiebung drohen. Ihr Anwalt setzte alle Hebel in Bewegung und argumentierte mit einer brandneuen Expertise des Bundesaußenministeriums. In Ostanatolien, so heißt es in diesem Bericht, würde »sich die politische Strategie der türkischen Regierung auf harte durchgreifende militärische und polizeiliche Gegenmaßnahmen stützen«. Die »Menschenrechtsstandards« würden dabei nicht immer eingehalten. Aber all die Analysen über die Lage der Kurden in der Türkei nützten nichts. Am 17.9. begründeten die Bürokraten, daß das Argument »Türkan ist Kurdin« kein stichhaltiges Argument für ein Bleiberecht sei. Ihre Einreise sei von den Eltern nicht mit der politischen Notsituation begründet worden, sondern mit der in Berlin besseren Schulausbildung. Jetzt muß das Verwaltungsgericht darüber entscheiden, ob Türkan abgeschoben werden darf oder nicht. Sollte der Rechtsstreit verloren werden, dann würde ein 13jähriges Kind in ein hochgefährliches Krisengebiet geschickt. Denn nach aktuellen Presseberichten droht in ihrer Heimat, Varto, nicht nur die türkische Polizei, sondern auch ein irakischer Giftgasangriff. Eine US-Basis ist nah, und die Bevölkerung kauft seit kurzem Gasmasken anstatt Brot. aku

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