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Öl-Ökonomie beherrscht die Diskussion

IWF- und Weltbank-Tagung beendet: Angesichts des Ölpreisschocks geht es der Weltfinanz nur noch um eine Begrenzung der Schuldenproblematik  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Die Jahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) und das zehntägige Rahmenspektakel der internationalen Hochfinanz ist zu Ende, und dem Beobachter stellt sich vor allem eine Frage: Was hätten die Finanzminister, Notenbankpräsidenten, die Weltbank-Notablen und Währungsfonds-Kontrolleure in diesem Jahr diskutieren sollen, wenn der Bauernsohn aus dem Irak sein Nachbarland Anfang August nicht mit einem wohlsortierten Selbstbedienungsladen verwechselt hätte? Die Golfkrise drängte auf dem diesjährigen Bankertreffen alle anderen Themen in den Hintergrund. Auf den Foren der Industrie- und Entwicklungsländer (G7, G10, G24), auf den Weltbank- und IWF-Veranstaltungen oder beim Plausch an den wohlausstaffierten Büffets privater Empfänge — überall beherrschten Saddam und die Öl- Ökonomie die Diskussionen. Wenn hier und da von Schuldenproblemen die Rede war, dann nur in Hinblick auf die zusätzlichen Belastungen durch den Ölpreisschock.

Den Ton und den Rahmen hatten die in der sogenannten G7-Gruppe zusammengefaßten Industrieländer gesetzt. Unter der Selbstverpflichtung auf eine „stabilitätsorientierte Geld- und Finanzpolitik“ durfte US- Finanzminister Brady allerdings etwas anderes verstehen als sein bundesdeutscher Amtskollege Waigel — ein offener Streit wurde vermieden. Man wollte jedoch, da war man sich untereinander und mit dem IWF einig, die Fehler der 70er Jahre vermeiden und die Ölpreiserhöhung direkt an die Verbraucher weitergeben.

Den ölimportierenden Entwicklungsländern soll jetzt durch ein von den G7 zusammen mit Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südkorea bezahltes und vom IWF ergänztes Finanzpaket geholfen werden. Doch schon bei der Summe für diese Hilfsmaßnahmen gab es Meinungsverschiedenheiten. Die Europäer glauben, daß 9 Milliarden Dollar für die von der Golfkrise betroffenen Länder genug sein müssen, während sich die USA mit einem Angebot von 14 Milliarden Dollar für die Frontstaaten Türkei, Ägypten und Jordanien bis Ende 1991 verdächtig großzügig zeigten. Die Bush-Administration will sich wohl die Kooperation dieser Staaten für den Kriegsfall mit aller Dollar-Macht erkaufen.

Als dann George Bush in seiner Rede vor der Weltbank am Dienstag unerwartet die Einrichtung eines von den USA geleiteten Koordinationsgremiums bekanntgab, jaulten die übrigen Geberländer allerdings auf. Japans Finanzminister Ryutaro Hashimoto wollte zumindest, daß IWF und Weltbank dabei eine „zentrale Rolle“ spielen. Und im westdeutschen Lager befürchtete man, von dem US-dominierten Gremium nach der 3,3 Milliarden DM teuren „Mogelpackung“ in Sachen Golfkrise gleich noch mal zur Kasse gebeten zu werden. Näheres wird noch auszuhandeln sein. Gleiches gilt für den immer wieder herumgeisternden Vorschlag von IWF-Direktor Michel Camdessus, zwischen ölexportierenden und ölimportierenden (Entwicklungs-) Ländern eine Art Umverteilungsfonds einzurichten.

Darüber hinaus arbeitet die Weltbank jetzt an einem Plan für zusätzliche Kredite an rund 20 Länder, die für die Gewährung von Mitteln eigentlich nicht arm genug sind. Eine weitere Aufstockung des Weltbankfonds hatte der Interimsausschuß mit dem Hinweis auf die Liquidität der beiden Finanzorganisationen abgelehnt. Die Weltbank wird in einem Sonderprogramm auch zusätzliche Kredite an solche Länder vergeben, denen nun die Überweisungen der aus Kuwait und dem Irak geflohenen Gastarbeiter fehlen.

Weniger großzügig gab sich die internationale Bankengemeinde gegenüber den Ländern Osteuropas, von denen die Tschechoslowakei und Bulgarien IWF und Weltbank nun beigetreten sind. Nachdem Polen zu Jahresanfang vom IWF zur Stützung der heimischen Reformbemühungen einen Milliardenkredit loseisen konnte, wird die CSFR um die Jahreswende ähnliches verlangen. Bei den privaten Banken blitzten die osteuropäischen Ländern jedoch ab. Außer klugen Ratschlägen gab's bei den westlichen Bankern nicht viel zu holen. Noch unbefriedigender war der ungewohnte Washington-Trip für die beiden Delegationen aus der Sowjetunion und der russischen Republik. Beide wollten demonstrieren, wie sehr man in der Sowjetunion an der Mitgliedschaft in den einst verfemten Finanzinstitutionen nun interessiert ist. Die Verschiebung des Schatalin-Plans durch den Obersten Sowjet und der verwirrende Auftritt von zwei rivalisierenden Delegationen in Washington dürfte Politiker und Banker hier eher verschreckt als überzeugt haben. So wurden die wohlwollenden Kommentare führender Finanzexperten über einen sowjetischen IWF-Beitritt vor Beginn der Jahrestagung am Ende von skeptischen Bemerkungen über die „wirtschaftliche Reife“ der Sowjetunion abgelöst.

Die Vertreter von Brasilien und Argentinien waren auf dem Bankertreff eher gefragt. Beide Länder scheinen nun ein Anti-Inflationsprogramm durchführen zu wollen, das den Vorstellungen des IWF näher kommt als alles Bisherige. Beide Staaten wollen einen Teil ihrer bei internationalen Banken ausstehenden Verbindlichkeiten in Anteile an Staatsbetriebe verwandeln und durch deren Privatisierung ableisten. Auf Druck der kommerziellen Banken hat der IWF seinen geplanten 2-Mrd.-Dollar-Kredit an Brasilien nun an die Wiederaufnahme der eingestellten Schuldentilgung geknüpft.

War auf dem Bankertreff in den letzten Jahren immer vom Brady- Plan als Beginn einer längerfristigen Strategie zur Bekämpfung der internationalen Schuldenproblematik die Rede, so war von einer Fortschreibung dieser ambitionierten Schuldenerlaß-Strategie diesmal nur wenig zu hören. Allein der Vorschlag des britischen Schatzkanzlers, 19 afrikanischen und südamerikanischen Ländern von Staats wegen Schulden in Höhe von 18,3 Milliarden Dollar zu erlassen, nahm sich dieser Problematik an.

Die kommerziellen Banken in den USA sind dagegen zu angeschlagen, als daß ihnen noch irgendwelche neuen Aufgaben aufgeladen werden könnten, die europäischen Banken haben auf dem eigenen Kontinent genug zu tun, und die japanischen Kreditinstitutionen lecken sich nach dem Börseneinbruch in Tokio daheim die Wunden. So bleibt es trotz des Anstiegs der Verschuldung der Dritten Welt um 9 Prozent der Weltbank und dem IWF überlassen, die Verschlechterung der Schuldensituation in Grenzen zu halten. Zu mehr, so hatte man in Washington den Eindruck, sind die Industrieländer angesichts ihrer durch die Golfkrise noch verstärkten wirtschaftlichen Schwierigkeiten gar nicht willens — und ihm Rahmen der ökonomischen Orthodoxie und Wachstumsideologie — auch gar nicht in der Lage.

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