piwik no script img

Stasi-Besetzung: Ende gut — alles gut?

■ Der Hungerstreik ist vorbei

Mielkes Schloß. Während im DDR-Parlament gestern am frühen abend die Stasi-Volkskammerabgeordneten vor den laufenden TV- Kameras ihre Geständnisse stammelten, wurde vor der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße der erfolgreiche Abschluß des Hungerstreiks kundgegeben. Rund tausend ZuschauerInnen beklatschten die Stasi-BesetzerInnen.

Mit dem Ende des Streiks kehrte wieder die gute alte Sicherheitsnormalität ein. Die Volkspolizei verwehrte schon den ganzen Tag dem parlamentarischen Stasi-Sonderausschuß den Zutritt zum Gebäude. Drinnen machten sich flugs Zivilbeamte mit Fingerabdruck-Sets an die Arbeit, wie die Stasi-Besetzerin Bärbel Bohley sagte. »Da können wir uns in der Einheit gleich wieder zu Hause fühlen«.

Mit bleichen Gesichtern betraten die Hungerstreikenden die Bühne — weder die Blumensträuße in ihren Armen, noch die kleine Lightshow hatten eine Chance gegen den häßlichen grauen Waschbetonklotz im Hintergrund. Stasi- Auflöser Reinhard Schult dankte für die DDR-weite Soldidarität. Mit der 16tägigen Besetzung habe man die Volkskammer erfolgreich unter Druck setzen können. Die Akten verblieben nun auf dem Boden der Noch-DDR, die alten Stasi- Archivare würden bald abgelöst, Gauck werde Herr über die Stasi- Akten. Die weitere Vernichtung von Akten habe während der Besetzung verhindert werden können. Die Aktion in der Normannenstraße sei aber noch nicht ganz beendet. Die Mahnwache gehe noch weiter.

Bevor das Musikprogramm begann, brachte Besetzer Wolf Biermann noch das Lied »Hungern ist nur halb so wild in einem satten Land« zur Uraufführung. »Während die Stasi-Bosse nun in Düsseldorf auf Marketing-Lehrgängen« seien, habe er selbst einen Lehrgang in jüngster DDR-Geschichte machen können, meinte der Sänger dankbar.

Ob die BesetzerInnen wirklich einen Sieg errungen haben, bleibt fraglich. Gestern werkelten die alten 80 Stasi-Archivare jedenfalls weiter — seit Monaten erstmals wieder ohne jede BürgerInnenaufsicht. kotte

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen