: Aus für »Weglaufhaus«?
■ Diskussion über Projekt für Psychatrieflüchtlinge/ Senat zögert eine Entscheidung über Freigabe der Gelder hinaus
Schöneberg. Wann nun eine Entscheidung über die Freigabe der gesperrten 450.000 DM zur Anlauffinanzierung des »Weglaufhauses« für Psychiatrieflüchtlinge fallen wird, konnte Sybilla Fried nicht sagen. Auch sonst war von der Psychiatriebeauftragten nicht viel Neues zu hören, und man sah ihr an, daß sie es lieber ihrer Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) und dem Reinickendorfer Gesundheitsstadtrat Detlef Orwat (CDU) gleichgetan hätte. Die waren nämlich gar nicht erst zum Informationsgespräch erschienen — sehr zum Ärger der AL und des »Vereins zum Schutz vor Psychiatrischer Gewalt« (Weglaufhaus-Verein), die zu dieser Veranstaltung ins Rathaus Schöneberg eingeladen hatten.
Die Situation stellt sich folgendermaßen da: Es gibt ein Haus in Frohnau, das ein anonymer Spender jetzt für eine Million DM erworben hat. Dieses Geld hatte er dem Projekt »Weglaufhaus« schon vor mehr als einem Jahr zur Verfügung gestellt. Die Gesundheitsverwaltung hatte daraufhin für den diesjährigen Haushalt 450.000 DM bewilligt, damals unter der Bedingung, daß konzeptionelle Fragen des »Weglaufhauses« detaillierter beantwortet werden und geeignete Räumlichkeiten gefunden werden sollten. Der Verein hat diese Auflagen erfüllt. Ebenfalls erfüllt ist die nachgeschobene Auflage, daß die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) Reinickendorf dem Projekt zustimmt.
Die Zustimmung der Psychiatriereferentin blieb bisher trotzdem aus. Anwohner des Standorts Allemannenstraße hätten sich bei der Gesundheitssenatorin beschwert: Sie hätten Angst vor gewalttätigen Verrückten, die wohl unzweifelhaft in einem solchen Haus untergebracht würden. Dem Reinickendorfer Gesundheitsstadtrat ist der Standort auch nicht recht, und schließlich müsse die BVV noch zustimmen. All dies sei bis jetzt nicht geschehen, und vorher gebe es kein Geld.
Wer sich in der Problematik auskannte, hatte den Braten schon längst gerochen. Verzögerungstaktik hieß die Order. Die AL-Abgeordnete Gisela Wirths sprach es aus: Wenn die Gelder nicht bis zu den Plenarsitzungen am 25./26. Oktober freigegeben seien, »ist das Projekt gescheitert«. In einer kommenden möglichen großen Koalition nach dem 2. Dezember habe niemand Interesse an diesem Projekt. Auch die »SPD will das Projekt nicht«, so Gisela Wirths weiter. Mit dem Satz: »Das kann aber dann noch mal beantragt werden«, erntete Sybilla Fried noch nicht mal mehr ein müdes Lächeln. Frust machte sich breit unter den Beteiligten.
Die einzig heitere Note bekam die Veranstaltung durch die Anwesenheit einiger Vertreter der »Irrenoffensive«, die vom Projekt »Weglaufhaus« ausgeschlossen wurden. Sie nervten den Rest der Versammelten, schrien dazwischen, fühlten sich vom Diskussionsleiter permanent benachteiligt, obwohl dieser sich auch die größten Leerformeln anhörte. Anschließend wollten sie konzeptionelle Fragen eines Weglaufhauses diskutieren — ihrer Meinung nach sollten ausschschließlich Psychiatriebetroffene in einem solchen Haus arbeiten —, obwohl schon lange die Existenzfrage auf dem Tisch lag.
Aber auch sie konnten keine Entscheidung über die Freigabe der Gelder herbeiführen — Gelder, die im übrigen auch nur das Nötigste abdecken und nicht annähernd den Stellenschlüssel zulassen, den sich der Weglaufhaus-Verein gewünscht hatte. lus
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