Mazowiecki fordert Walesa heraus

■ Die Wähler sollen den Streit um den politischen Kurs in Polen entscheiden Walesa, der radikalere Reformen als sein Gegner anstrebt, holt bei Umfragen auf

Warschau (ap/taz) — Der polnische Gewerkschaftsführer Lech Walesa und dessen ehemaliger Kampfgefährte bei Solidarność, Tadeusz Mazowiecki, werden ihre Differenzen um den künftigen politischen Kurs Polens durch Wahlen entscheiden. Zehn Tage nach Walesa gab am Donnerstag abend auch der derzeitige polnische Ministerpräsident Mazowiecki seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl am 25. November bekannt. Mazowiecki nannte die Entscheidung zur Kandidatur im polnischen Fernsehen „schwierig, aber unausweichlich“. Er kündigte an, auch als Ministerpräsident zurücktreten zu wollen, falls er Walesa am letzten Sonntag im November unterliege. Die Spaltung der ehemaligen Oppositions- und Gewerkschaftsbewegung Solidarność ist nun vollständig offengelegt.

Mazowiecki wird von der aus der Solidarność hervorgegangenen Bürgerbewegung für Demokratische Aktion (ROAD) unterstützt, in der auch so bekannte Politiker und Intellektuelle wie Adam Michnik und Jacek Kuron wirken. Die Sprecherin von ROAD, Halina Bornowska, teilte noch am Donnerstag mit, mit der Sammlung der für die Kandidatur notwendigen 100.000 Unterschriften sei schon begonnen worden. Walesa, der seine Kandidatur offiziell am 16. September bekanntgegeben hatte, wird von der Führung der Gewerkschaft Solidarność, der wie ROAD aus dieser hervorgegangenen Zentrumsallianz sowie einigen kleineren christdemokratischen Gruppen unterstützt.

Die Wahl wird durch das vorzeitige Ausscheiden des bisherigen kommunistischen Staatspräsidenten Wojciech Jaruzelski möglich. Der im vergangenen Jahr noch vom Parlament gewählte Präsident hatte sich im September bereit erklärt, nicht auf eine volle sechsjährige Amtszeit zu bestehen. Erste Meinungsumfragen ergaben eine Mehrheit für Mazowiecki, aber in letzter Zeit schien Walesa aufzuholen.

Mazowiecki war einer jener katholischen und liberalen Intellektuellen, die sich gleich bei Gründung der Gewerkschaft Solidarność 1980 den gegen die kommunistische Herrschaft aufbegehrenden Arbeitern anschlossen. Der heute 63jährige Journalist war seit damals Berater der Gewerkschaft und politischer Mentor von deren Vorsitzenden Walesa. Er wurde am 28. August 1989 auch mit dessen Unterstützung erster nichtkommunistischer Regierungschef Polens seit dem Zweiten Weltkrieg.