: Kein trauter Schwesternkreis
Im Bonner Nobelhotel „Petersberg“ traf sich die frauenpolitische Prominenz zur „1.Gesamt- deutschen Frauenkonferenz“/ Ost-West-Verständigung schwierig/ Reizwort Feminismus ■ Von Tina Stadlmayer
Bonn (taz) — „Nicht nur Betroffenheit und Trauer muß Elektra tragen“, ulkte die Schriftstellerin Karin Hempel-Soos am Ende der „Ersten Gesamtdeutschen Frauenkonferenz “ im Nobelhotel „Petersberg“ bei Bonn. Jetzt müsse noch eine Resolution verabschiedet und schleunigst an die Nachrichtenagenturen gegeben werden. Die sozialdemokratische All-Round-Aktivistin, Gründerin des „Frauenbündis 90“, das zur Konferenz eingeladen hatte, zauberte auch gleich einen Vorschlag aus der Tasche: Vertreterinnen der Parteien, Kirchen und Gewerkschaften fordern die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der Macht in Staat und Gesellschaft. Bei der gesamtdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz am 17. Oktober soll in jeder Delegation eine Frau dabei sein. Gremien zur Verfassungsdiskussion müssen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. In den neuen Bundesländern sollen kompetenzstarke Frauenministerien geschaffen werden.
Diesen — nicht besonders revolutionären — Forderungen waren stundenlange teils ermüdende, teils spannende Diskussionen vorausgegangen. Das Besondere an der Konferenz: Frauen aller Couleur, CSU- Politikerinnen, Kirchenfrauen, grüne Realas und Feministinnen saßen zusammen und versuchten, sich zu verstehen. Die overdresste Sozialdemokratin neben der hippiemäßig gekleideten Katholikin aus der DDR. Die ältere Dame im Strickkostüm und die Künsterin im Mini-Rock. Als es ans Verabschieden einer Resoltution ging, wurde klar: Es gibt einen kleinsten gemeinsamen Nenner — aber groß ist er nicht.
Das „Frauenbündis 90“ ist ein lockerer Zusammenschluß bekannter Politikerinnen. Mit von der Partie: Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth, die grüne Frauenministerin Waltraud Schoppe, SPD-Bundesratsministrin Eva Rühmkorf, FDP- Politikerin Hildegard Hamm-Brücher. Alle sind per du und reden sich gerne mit „Schwester“ an. Organisatorin des Kreises, ist „Oberschwester“ Karin Hempel-Soos. Die Frauen brüten gemeinsame Initiativen, zum Beispiel „gegen Fremdenfeindlichkeit“, aus. Waltraud Schoppe berichtete den Konferenzteilnehmerinnen von der Idee, die dem Bündis 90 zugrunde liege: „Wir versuchen uns und unsere unterschiedlichen Meinungen zu verstehen.“ Manchmal sei es nicht leicht zu aktzeptieren, daß manch eine im kleinen Bündnis-Kreis ganz anders rede als öffentlich für ihre Partei. Rita Süssmuth ergänzte: „Wenn es konkret wird, wird es oft schwierig mit uns.“
Die Bündins-Politikerinnen hatten zur gesamtdeutschen Frauenkonferenz 200 Vertreterinnen von Parteien und Organisationen aus der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik eingeladen. Allerdings war keine einzige PDS-Frau darunter und nur sehr wenige Ausländerinnen waren gekommen. Eine seit 30 Jahren in der Bundesrepublik lebende Türkin und eine Vietnamesin aus der EX-DDR entfachten den interessantesten Disput. „Ich habe eine Wut gegen euch — rührt nicht nur in eurer eignen Suppe“, schleuderte die Türkin den versammelten Frauen entgegen. „Ihr vereinigt euch und grenzt die Ausländer aus.“ Ganz schnell sei jetzt das Ausländergesetz durchgeboxt worden, von den Frauen habe man kaum Protest gehört.
„Nachdem ich zwanzig Jahre in Deutschland lebe, muß ich jetzt fragen, ob ich weiterarbeiten darf“, resümierte bitter die vietnamesische Teilnehmerin. Daraufhin entspann sich eine absurde Diskussion. Die CDU-Abgeordnete Irmgard Karwatzki schlug sich auf die Seite der Vietnamesin und kritisierte, daß Ausländerinnen aus der ehemaligen DDR nach Hause geschickt würden. Es stelle sich auch die Frage: „Was machen wir mit den vielen Juden, die demnächst zu uns kommen?“ Diese „große Dimension“ sei viel wichtiger als die Arbeitsverträge der DDR- Frauen. Da platzte einer Gewerkschafterin aus der Bundesrepublik der Kragen: „Wir haben viel zu lange akteptiert, daß wir immer erst die großen Probleme lösen sollen und dann erst über Frauenrechte reden dürfen“, warf sie der CDU-Politikerin vor. Eine Frau aus Ost-Berlin versuchte die Wogen zu glätten: „Wir müssen eben das eine tun und das andere nicht lassen.“ „Die Zukunft“, da schienen wieder alle Teilnehmerinnen einer Meinung zu sein, liege „in einem Europa ohne Grenzen“. Eine CDU-Frau aus Düsseldorf jedoch zerstörte ganz schnell die mühsam aufgebaute Harmonie: Grenzen seien trotzdem wichtig, „denn der Mensch braucht etwas, das ihn abschirmt, auch als Volk“.
Immer prallten auf dieser Frauenkonferenz Welten aufeinander. Nicht nur zwischen linken und rechten Frauen gab es Verständnisschwierigkeiten sondern vor allem auch zwischen Ost und West. Die Feministin und Juristin Marieluise Janssen-Jurreit gestand, in der letzten Zeit öfters verzweifelt gedacht zu haben: „20 Jahre meines Lebens sind umsonst gewesen.“ Feminismus habe bei den DDR-Frauen keinen guten Klang, deshalb fürchte sie, „die Frauenkämpfe der letzten Jahre führen zum Punkt Null zurück“. Waltraud Schoppe gab ihr recht: „Wo sind die Frauen im Einigungsprozess gewesen?“ Die breite Solidarität habe gefehlt, deshalb sei die Einheit zur reinen Männersache geworden.
Eine Frau aus der Ex-DDR versuchte den Wessis das Dilemma zu verdeutlichen. Das West-Fernsehen habe die Illusion von den an Heim und Herd glücklichen BRD-Frauen vermittelt. Jetzt wollten die Ost- Frauen genau diese heile Welt auch für sich. Karin Hempel-Soos ergänzte: „Die DDR-Frauen sagen jetzt ,Beruf — igittigitt‘ und die West-Frauen getrauen sich nicht, sie dafür zu schelten.“
Tatjana Böhm vom DDR-Frauenverband, sah noch einen anderen Grund für den frauenpolitischen Rückschritt in Gesamtdeutschland: „Die politisch aktiven Frauen wurden ganz brutal zurückgedrängt.“ Diese Erfahrung bestätigten auch die CDU-Politikerinnen. Und Marina Beyer, Ex-Staatssekretärin im DDR- Arbeitsministerium warnte: „Das geht noch weiter. Zur Zeit werden im Osten die Gleichstellungsbeauftragten aus Geldmangel entlassen.“
Zum Schluß der Konferenz versuchte Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth die Teilnehmerinnen wieder aufzubauen. Es bringe nichts, nur zu lamentieren, „wir haben nichts erreicht“. Die Frauen müßten jetzt die Verfassungen der neuen Bundesländer mitschreiben, Frauen- und Kinderrechte darin verankern. Die Vorgänge im Osten Deutschlands erinnerten sie an die 50er Jahre: Auch damals hätten viele Frauen gesagt, „laßt den Männer die öffentliche Macht“. Weibliche Sichtweisen und Erfahrungen seien deshalb in der Politik zu kurz gekommen. Jetzt gelte es zu verhindern, „daß Männer aus den neuen Bundesgebieten den Arbeitskräftebedarf im Westen abdecken“, mithin Arbeitnehmerinnen von ihren Plätzen verdrängten. „Wir brauchen in dieser Phase keine Frauen mit vorrauseilendem Gehorsam“ rief sie der versammelten Frauenschar zu und erntete dafür begeisterten Beifall.
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