: „Kristallnacht 1990“ in Großbritannien
Britischer Antisemitismus: Europäisch koordinierte Anschläge oder grenzüberschreitende Nachahmungen? ■ Aus London Jerry Sommer
„Kristallnacht 90“ und „We will rise again“ — Wir werden wieder auferstehen, schrieben bisher nicht gefaßte Täter vor Wochen auf jüdische Grabsteine in der mittelenglischen Stadt Leeds. Bald darauf wurden in London eine jüdische Synagoge und ein jüdischer Friedhof mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Schmierereien besudelt.
Die Polizei meldete insgesamt 27 Anschläge auf jüdische Einrichtungen in der britischen Hauptstadt in diesem Jahr. Vergleichszahl 1989: Null. „Außerdem hat das zugenommen, was man als geringfügigere Fälle bezeichnen kann: Sprüche an Wänden, obszöne Anrufe und ähnliches“, ergänzt Hayim Pinner der Vorsitzende der Vereinigung jüdischer Gemeinden in Großbritannien.
Es ist offensichtlich, daß die Anschläge in Großbritannien von extremistischen, neonazistischen Gruppen ausgeführt wurden. Daß sie sich nach langjähriger Abstinenz wieder mit antisemitischen Aktivitäten hervorgetraut haben, wird vor allem auf Entwicklungen im restlichen Europa — wachsende antisemitische Bewegungen unter anderem in der Sowjetunion und in Polen, antijüdische Anschläge in anderen westeuropäischen Staaten — zurückgeführt. Diese hätten den Neonazis in Großbritannien offensichtlich Mut gemacht. Ob diese Anschläge von den Neonazis koordiniert sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Hayim Pinner glaubt, es handele sich eher um Nachahmungen aus anderen Ländern.
Anderer Auffassung ist hingegen Gerry Gaible, der Herausgeber eines antifaschistischen Monatsmagazins in London. Ihm liegen Informationen über ein Treffen von Vertretern neonazistischer Organisationen aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA im vergangenen April zum hundertsten Geburtstag Hitlers vor.
Dort sei vereinbart worden, sich in den jeweiligen Ländern Ziele auszusuchen, mit denen der Rassismus angeheizt werden könne. Im Dezember habe ein weiteres Treffen stattgefunden. Und unmittelbar danach hätten die Anschläge in verschiedenen Ländern begonnen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen