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Betulich, doch dafür beständig

■ Das Aachener Stadtmagazin 'Klenkes‘, ältestes der Republik,wird 15 Jahre alt

Aachen (taz) — Les' ich selten. Gar nicht. Höchstens die Kleinanzeigen. Einfach zu langweilg. Bieder. Zu brav. Themen verfehlt. Zuviel Kulturgesülze. Gibt's das Blatt überhaupt noch? Gibt es — seit 15 Jahren jetzt, und damit ist Aachens Stadtmagazin 'Klenkes‘ nach dem Exodus des Frankfurter 'Pflasterstrand‘ das älteste seiner Art. Ein ungeliebter Jubilar feiert jetzt ohne Jubel.

Auch die Redaktion weiß, daß die KäuferInnen zuerst die Kleinanzeigen lesen, und den Terminteil. Die vielfache Mißachtung hat ihre Gründe: Der Klenkes provoziert zu wenig. Es herrscht ein arger Mangel an Reportagen. Die Themen scheinen beliebig und sind oft ohne Bezug zu Aachen, Satiren, Glossen und Bösartigkeiten selten. Ein großzügiges, ansprechendes Layout kann Textlängen nicht kompensieren.

Die pfiffigste Rubrik ist „Die Wanze“, Klatsch und Tratsch aus Szene und Lokalpolitik. Bezeichnend, daß diese Seite vom 'Klenkes‘-Fotografen „aufgeschnappt und mitgehört“ und geschrieben wird. Statt intensiver Basisrecherche finden sich hier jedoch meist langatmige Gesinnungsaufsätze.

Die Auflage der einstigen Bürgerinitiativenpostille ist immer klein geblieben (heute 9.500 gedruckte für eine Viertelmillionenstadt mit 50.000 StudentInnen). Aufmachung scheint wichtiger als Auflehnung — das neue Hochglanzpapier erregte die Gemüter mehr als die Inhalte.

Der alte Geist indes ist geblieben: Langsamkeit, Betulichkeit, Re-Aktion, und die lange Analyse als journalistischer Schwerpunkt, selten reizend, oder gar aufreizend. Tritte — auch mal gegen Rot-Grün — bleiben aus. Ebenso die Einsicht in die eigenen Versäumnisse. Gründe für die häufige Tristesse werden, typisch theoretisierend, woanders gesucht: „Besitzt die ,Szene‘ neue Diskussionszusammenhänge, die uns entgangen sein sollten?“, wird etwa in einer „Standortbestimmung“ sinniert.

Die Zeit der Gegenöffentlichkeit ist vorbei. Einstige Tabus und Exklusivthemen der „Alternativ“-Presse sind längst Allgemeingut aller Medien geworden. Und dennoch: daß es den 'Klenkes‘ gibt und geben muß, folgt schon aus der Dürre, mit der die länger etablierte Tageszeitungskonkurrenz mit den alten Themen umgeht — gerade in Aachen mit seinem monopolistischen Zeitungsverlag. 15 Jahre — weil es in Aachen nie ernsthafte Konkurrenz gab. 15 Jahre — eine lange Weile. Da kann man sich schon mal vergessen. Gestern nun gab es eine große Party. Vielleicht der Auslöser, mit 15 endlich in die journalistische Pubertät zu kommen, in die Zeit von mehr Aufmüpfigkeit, Dreistigkeit und Respektlosigkeit. Bernd Müllender

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