: Bewährungsurteil für sowjetischen Deserteur
■ Angst vor Schikanen von Vorgesetzten hatte den 20jährigen Soldaten in die Wälder Thüringens getrieben
Weimar (adn) — Wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe und Diebstahl ist gestern vor einem Militärgericht in Weimar ein sowjetischer Soldat zu einem Jahr Bewährung verurteilt worden. Bei Nichtbewährung wurden ihm zwei Jahre Haft angedroht. Nach Ansicht des sowjetischen Verteidigers Oleg Ljamin ist das milde Urteil nur durch den großen Druck der Öffentlichkeit zustande gekommen. Er will gegen das Urteil Berufung einlegen. Der Anwalt protestierte dagegen, daß der junge Soldat wieder in die Einheit kommen soll, in die er wegen angeblichen Diebstahls strafversetzt wurde. Dort sei er permanent mißhandelt worden. Er habe sein Leben nur dadurch retten können, so Ljamin, daß er mit einem Freund, der in ähnlicher Situation war, in die Wälder Thüringens floh und dort von kleinen Einbrüchen lebte. Der Anwalt erhob schwere Vorwürfen gegen die in Deutschland stationierten sowjetischen Truppen. Bei den in Weimar befindlichen Einheiten habe es allein im Vorjahr 50 Todesfälle gegeben, deren Hintergründe vertuscht wurden. Bei dem Prozeß war in einem Militärverfahren der Sowjetarmee erstmals ein ziviler Verteidiger zugelassen. Vor dem Gebäude der Kommandantur, in dem die Verhandlungen stattfanden, hielten Bürger der Stadt am Freitag eine Mahnwache.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen