: Gottesliebe — menschenfern
■ Wie ein Gottesdienst in St. Johannes auf Jugendliche wirkte
Die Zeiger der Kirchturm-Uhr blitzen golden in der Sonne. Das ein wenig zaghaft schlagende Glöckchen hat gerade seinen Dienst getan. In den Vorgärten der umliegenden Eigenheime wird eifrig gefegt. Die anscheinend wenigen gottesfürchtigen Gemeindemitglieder von Arsten- Habenhausen haben sich unterdessen in den roten Backsteinbau von St. Johannes rufen lassen, der inmitten des Friedhofes wie eh und je die Kirchgänger versammelt.
Die KonfimandInnen erweisen sich als bestens vorbereitet und ausgerüstet für den sonntäglichen Pflichttermin: Sie drücken sich, kichernd und flüsternd, in die hinteren Bänke — dahin, wo die Blicke der Pastorin durch das blendende Sonnenlicht hindurch kaum vordringen können. Denn die schön schlichten, hellgrauen Butzenscheiben schotten den Kirchenraum kaum gegen die herbstliche Außenwelt ab.
Doch sonst scheint hier die Welt in mancherlei Hinsicht stehengeblieben. In der jüngsten Bremer Kirchenzeitung wurde die Frage aufgeworfen: „Mit lieblosen Gottesdiensten Gottes Liebe feiern?“, wie sie ein Buch mit gleichnamigem Titel diskutiert. Der Autor und ev. Gemeindepfarrer von Lowtzow bezeichnet darin die traditionellen Gottesdienste als fragwürdig und plädiert für eine radikale Änderung von Gottesdienst-Inhalten und -Formen.
Die Konfirmandinnen in der letzten Bank in St. Johannes sind Indiz für die Richtigkeit seiner provozierenden Thesen. Sie haben sich ihre eigene Gottesdienstlektüre mitgebracht: Einen comic- artigen Wirtschaftsführer für jedermann und einen Cartoon in zerfleddertem Taschenbuch: Mit Sprechblasen, kleinen Anekdötchen — eben gerade recht für zwischendurch, zwischen dem lästigen Aufstehen — Setzen — Liedersingen — Beten — Glaubenbekennen. Diese hergebrachte Gottesdienststruktur, die von Lowtzow als nicht dem Evangelium entsprechend bezeichnet, brechen die Konfirmandinnen respektlos auf, indem sie sich die Witze weiterreichen. Sie sind ja auch nicht extra angesprochen, die pubertierenden SchülerInnen auf ihrem Weg in die Erwachsenen-Gemeinde.
Denn wenn Pastorin Christa Drephal ihrer Gemeinde mit getragener, leidgeprüfter Stimme und wenig lebensfroh den Brief des Apostels Paulus an die Epheser rezitiert, dann können sie doch nicht gemeint sein, diese wispernden, glucksenden Teenager. „Achtet also darauf, wie ihr euer Leben führt... Darum seid nicht ohne Verstand, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist. Besauft euch nicht, das führt zu Liederlichkeit, sondern laßt euch mit heiligem Geist füllen“, fordert die Pastorin in ihrem „Weckruf an die Gemeinde.“ Doch die Jugend hört gar nicht hin und flüchtet das Gotteshaus, bevor das Abendmahl gereicht wird. Birgitt Rambalski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen