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Der Untergang General Aouns stärkt Syrien

■ Christengeneral in Ost-Beirut gab angesichts der syrischen Übermacht auf/ Frankreich bietet Aoun Asyl an/ Iraks Einfluß geschwächt/ Libanons Regierung kann Friedensplan von Taif verwirklichen

Beirut (taz/adn/afp/wps) —General Michel Aoun, der zwei Jahre lang der libanesischen Regierung Konkurrenz zu machen versuchte und als das große Hindernis galt, den 1989 von der Arabischen Liga ausgearbeiteten Friedensplan für Libanon (Plan von Taif) umzusetzen, hat am Wochenende aufgegeben und ist in die französische Botschaft im von Christen bewohnten Ostteil Beiruts geflüchtet. Frankreich hat dem General Asyl angeboten, jedoch war bis Redaktionsschluß nicht absehbar, ob Aoun den Libanon verlassen kann, ohne sich vorher vor einem libanesischen Gericht zu verantworten.

Verschiedene Minister der libanesischen Regierung fordern, Aoun solle wegen Verbrechen gegen den Staat angeklagt werden, solle die mehr als 1.000 Todesopfer verantworten, die sein „Befreiungskampf“ gegen die syrische Besatzung des Landes gekostet hat, und nicht zuletzt zirka 75 Millionen US-Dollar zurückzahlen, die er aus der Staatskasse abgezwackt und auf Pariser Konten deponiert haben soll.

Am frühen Samstag hatte Aoun nach einer massiven Attacke syrischer und libanesischer Truppenverbände auf sein Hauptquartier im ehemaligen Präsidentenpalast von Baabda aufgegeben. Per Radio forderte Aoun seine zirka 15.000 Mann starken Truppen auf, sich der regulären Armee zu ergeben. Auch das Radio wurde seitdem nicht mehr gehört. Den diplomatischen Bemühungen des französischen Außenministers Dumas ist offenbar zu verdanken, daß die Unterwerfung General Aouns nicht mehr als 100 Tote und 720 Verletzte forderte, für libanesische Verhältnisse ungewöhnlich: fast nur Soldaten.

Als Präsident Amin Gemayel den damals 53jährigen Artilleristen am 22. September 1988 an die Spitze einer Übergangsregierung berief, die Präsidentschaftswahlen vorbereiten sollte, sahen viele seiner christlichen Landsleute in ihm den unnachgiebigen Offizier, der die Macht der Milizen brechen und die Autorität des Staates wiederherstellen würde. Aoun, der niemals anders als in Tarnuniform auftrat, pflegte ein Image als einfacher Militär, der gegen den moralischen Verfall libanesischer Politiker zu Felde zog. Erst die Enthüllungen französischer Zeitungen über seine verdächtigen Pariser Konten erschütterten die Sympathien, die viele seiner Landsleute ihm entgegenbrachten.

Mit der Rolle eines Christenführers gab er sich nie zufrieden. Er scherte sich wenig um politisches Kalkül und nahm den Kampf sowohl mit christlichen als auch mit den moslemischen Milizen auf. Unter Ausblendung aller strategischer Vernunft hielt er am „Befreiungskrieg“ fest, um die Syrer aus Libanon zu vertreiben. Den gewählten christlichen Präsidenten Elias Hrawi erkannte Aoun nicht an, vielmehr beanspruchte er das Amt für sich.

Der Untergang Aouns verschafft nun vor allem den Syrern erhebliche Rückenstärkung im regionalen Kräfteverhältnis und schwächt den Irak, der in der Vergangenheit zum wichtigsten verbündeten Aouns avanciert war, den General gerade wegen seiner unverhohlenen Feindschaft zu Syrien mit Waffen und Finanzen ausgestattet hatte. Beobachter gehen davon aus, daß Syrien sich bei den Verhandlungen über Entsendung seiner Truppen in das Krisengebiet am Golf grünes Licht von Amerikanern und Franzosen für sein Einschreiten gegen Aoun holte.

Den syrischen Truppen, die seit Bürgerkriegsausbruch in Libanon Mitte der 70er Jahre auf zirka 40.000 Mann aufgestockt wurden, steht nun die Entwaffnung der Milizen bevor, allen voran der pro-iranische Schiitenpartei Hizbollah. Auch wird der Druck auf die ebenfalls pro-irakischen Verbände der PLO erhöht, die im Süden des Libanon über eine starke militärische Basis verfügen.

Die libanesische Regierung Präsident Hrawis hat sich mit ihrer Bitte um syrische Hilfe bei der Unterwerfung Aouns noch weiter in Abhängigkeit von Damaskus begeben. Eine eigenständige libanesische Politik wird vom Wohlwollen Syriens abhängen. Damit dürfte die Frage nach einer demokratischen Zukunft der libanesischen Innenpolitik vorerst unbeantwortet bleiben. Syriens Despot Assad steht seinem irakischen Amtskollegen im Umgang mit seinen Landsleuten in nichts nach.

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