Die Zeit der leichten Witze ist vorbei

Innenpolitische Führungsschwäche und Zweifel der Bevölkerung an seiner Wirtschaftspolitik lassen die Popularitätsrate des US-Präsidenten George Bush radikal auf Jimmi-Carter-Niveau sinken  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Read my lips (Schaut auf meine Lippen, Leute), rief George Bush seinem Wahlvolk im Herbst 1988 zu: „Keine Steuererhöhungen.“ Read my hips (Schaut euch doch meine Hüften an), versuchte der Präsident in der letzten Woche zu scherzen, als er trotz der Budgetkrise munter durch die Straßen joggte. Better read his flips (Schaut euch lieber sein Hin und Her an), warnte am Tage darauf das New Yorker Boulevardblatt 'Newsday‘ vor dem allzu leichten Witz Bushs.

Den Amerikanern ist das Lachen vergangen. So unsicher das Zustandekommen eines Haushaltskompromisses bis zum Stichtag des 19. Oktober auch sein mag, eines steht bereits fest: Der US-Bürger wird im Haushaltsjahr 1991 erstmals für die Sünden der Reagan-Jahre zu Kasse gebeten werden. Die Zeiten, in denen das Land mit Kreditkarten, Junkbonds und haushaltspolitischen Zahlenmanipulationen aus der Krise „herauswachsen“ konnte, sind endgültig vorbei. Und dann macht der Mann an der Spitze auch noch Witze!

„Dies war die Woche, in der George Bush aufstand und der Kongreß ihm befahl, sich wieder hinzusetzen, bis er seine Lektion gelernt hat“, spottete der konservative Kolumnist George Will über das Verhalten des Präsidenten in den Haushaltsverhandlungen. Zuerst wollte Bush einen Budgetdeal mit den Demokraten; der aber wurde ihm durch eine Koalition aus rechten Republikanern (keine neuen Steuern) und linken Demokraten (keine Ausgabenkürzungen im Abschwung) zunichte gemacht. Dann versuchte er es mit der Drohung, das Land einfach pleite gehen zu lassen; was jedoch nur empörte Touristen vor den geschlossenen Museumstoren bemerkten, weil der Rest der Nation übers verlängerte Kolumbus-Wochenende an den Strand gefahren war.

Schließlich ließ er von seiner Wahnsinnsidee ab, den obersten paar Hunderttausend nach zehn Jahren regressiver Umverteilung eine weitere Kapitalertragssteuersenkung zu schenken und war für eine kurze halbe Stunde sogar bereit, eine leichte Steuererhöhung für die Reichen hinzunehmen — was ihm jedoch wie eine Horde wilder Eber ins Weiße Haus eindringende Senatoren rasch austrieben.

Nun haben ihm seine nicht minder gespaltenen Strategen im Budgetprozeß erst einmal Zurückhaltung verschrieben. Wenn George Bush dieser Tage nicht draußen in der Provinz für einen der republikanischen Kandidaten optimistische Wahlkampfreden schwingt, fällt sein Blick auf negative Schlagzeilen über seine Führungsqualitäten: „Dummer August“, „Waschlappen“ steht da geschrieben — alles Attribute, die er nach seinem 20monatigen Siegeszug durch alle Meinungsumfragen längst abgelegt zu haben glaubte. Ja, da ist sogar von der „Carterisierung Bushs“ zu lesen. Und was aus seinem Vorvorgänger wurde, wissen wir ja alle. Dem blieben 1980 bei der versuchten Geiselbefreiung die Hubschrauber im iranischen Wüstensand stecken.

Eine halbe Million schmachtender GIs in der saudischen Wüste, ein Ölpreis, der so schnell steigt, wie die Aktienkurse in New York fallen, eine angesichts wankender Banken und täglicher Rezessionsdaten tief pessimistische Wall Street, und jetzt auch noch die in der Etatkrise zur Schau gestellte präsidentielle Ohnmacht: da fielen die bis dato traumhaften Bestätigungsraten des außenpolitisch vielgelobten Meisterpräsidenten gleich um 15 bis 20 Prozent. Bei seinem ersten großen Auftritt auf heimischem Parkett ist George Bush jedenfalls böse ausgerutscht.

1980 hatte Bush die Wirtschaftspolitik seines späteren Meisters Ronald Reagan noch als „Voodoo Economics“ gebrandmarkt. Nach seiner lauen Defizitbekämpfung wird nun deutlich, daß den „Bushonomics“ sogar noch der betörende Effekt des Reaganschen Experiments fehlt, ohne daß seine Wirtschaftspolitik neue Alternativen zu bieten hätte. Nicht nur konservative Parteistrategen, sondern auch so mancher Bush- Wähler wird sich in diesen Tagen fragen, wie dieser Präsident denn einem Kongreß, der nichts als den schnellsten Weg zum Futtertrog seiner Wahlsponsoren kennt, die nötige Haushaltsdisziplin beibringen will.

Mit Saddam Hussein, so geht das Wort in Washington, mag George Bush ja am Ende noch fertig werden. Aber was ist der schon gegen Dan Rostenkowki, den mächtigen demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenausschusses, der nun Wege und Mittel aus dem Haushaltsschlamassel finden soll. Plötzlich, so kommentiert der konservative Kritiker Kevin Phillips die politische Lage nach dem Haushaltsdebakel der letzten Wochen, habe Bush allen Grund, die nächsten Präsidentenwahlen von 1992 zu fürchten.