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Nicht der große Wurf

■ In Moskau ist eine Entscheidung über die Wirtschaftsreform gefallen KOMMENTARE

Die Sowjetunion befindet sich in einem Stadium, in dem zwar manche unangenehme Erscheinung des Kapitalismus, wie der Schwarzmarkt, erhöhte Preise und soziale Ungewißheit schon vorhanden sind, andererseits die Vorteile, wie die heiß ersehnten vollen Läden, weiter auf sich warten lassen. Immerhin ist nach den quälenden Diskussionen der letzten Wochen und Monate nun endlich eine Entscheidung gefallen. Gorbatschow hat mit überwältigender Mehrheit seinen Kompromißvorschlag durchsetzen können.

Daß die Zustimmung so hoch ausgefallen ist, spricht noch nicht für die Qualität des Plans, sondern eher für den Wunsch der Abgeordneten, endlich Richtlinien zur Hand zu haben, mit denen die lähmende Erstarrung überwunden werden kann. Ob die „Hauptrichtlinien“ wirklich geeignet sind, die gesamte Volkswirtschaft der Sowjetunion aus der Talsohle zu holen, bleibt ungewiß. Denn in dem Plan, der in zwei Jahren den Übergang zur Marktwirtschaft schaffen soll, steckt nur wenig Konkretes. Er bietet in der ersten Zeit sogar nur den Rückfall in die Kommandowirtschaft an. Fraglich bleibt, ob so die Stabilisierung des Finanzsystems und die Normalisierung des Verbrauchermarktes erreicht werden können. Wenig wert wird in dem Plan auch auf eine reibungslose Zusammenarbeit von Zentrale und Republiken gelegt. Weiterhin wird die Zentrale das Sagen haben. Gorbatschow, das gibt sogar die 'Prawda‘ zu, hat möglicherweise lediglich den Zentralbehörden eine Atempause verschafft.

Dies ist sicherlich nicht seine Absicht. Indem er sich in diesem Jahr mit einer ungeheuren Machtfülle ausstatten ließ, hat er alle Möglichkeiten, per Dekret direkt in die Umgestaltung einzugreifen. Die Mitarbeit von Millionen von Menschen ist damit aber nicht zu erreichen. Angesichts der „Widerstände“ aus der russischen Regierung, die mit ihrem 500-Tage-Plan schneller zu Werk gehen will, sind sogar erneut lähmende Kämpfe zwischen Gorbatschow und Jelzin zu erwarten. Zusammen mit dem kommenden Hungerwinter wäre das eine bedrückende Perspektive. Erich Rathfelder

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