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Torys gehen im Seebad Eastbourne baden

Liberale Demokraten gewannen 51 Prozent der Stimmen bei der Nachwahl/ Aggressiver Tory-Wahlkampf  ■ Von Ralf Sotscheck

Die britischen Konservativen haben eine unerwartete Wahlniederlage erlitten: Der Kandidat der Liberalen Demokraten, David Bellotti, gewann am Donnerstag die Nachwahl im südenglischen Seebad Eastbourne, bisher eine Hochburg der Torys, mit 51 Prozent der Stimmen. Der Konservative türkischstämmige Richard Hickmet, kam nur auf 41 Prozent, während die Labour-Kandidatin Charlotte Atkins mit fünf Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem letzten Platz landete. Die Nachwahl war nötig, weil der erzkonservative Tory-Abgeordnete und Thatcher-Vertraute Ian Gow im Sommer von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) ermordet worden war.

Der erpresserische Wahlkampf der Konservativen wurde von den WählerInnen bestraft: Premierministerin Margaret Thatcher hatte behauptet, jede Stimme gegen Hickmet käme einem „moralischen Sieg der Terroristen“ gleich. Bellotti sagte nach Verkündung des Wahlergebnisses triumphierend: „Das ist der Anfang vom Ende des Thatcherismus.“

Die Liberalen Demokraten, deren Ableben Thatcher noch vor zwei Wochen prophezeit hatte, brauchten dringend ein Erfolgserlebnis. Die Partei ist aus einer Abspaltung der Labour Party Anfang der achtziger Jahre hervorgegangen und verfügt lediglich über 20 der 650 Westminster-Mandate. Die britischen Liberalen stehen zwar nicht ganz so weit rechts wie ihre europäischen Schwesterparteien, doch auch sie treten für Atomkraft und die Privatisierung staatlicher Industrien ein. Parteichef Paddy Ashdown sieht in dem Wahlergebnis von Eastbourne eine „neue Phase“ in der britischen Politik: „Wir können Thatcher in den Wahlkreisen schlagen, in denen die Labour Party keine Chance hat“, sagte Ashdown gestern. Der Tory-Vorsitzende Kenneth Baker machte vor allem die niedrige Wahlbeteiligung von knapp 61 Prozent für die Niederlage verantwortlich.

Die Torys stecken in großen Schwierigkeiten. Es ist bereits die zweite Nachwahl in diesem Jahr, die mit einem Umschwung von 20 Prozent gegen die Konservativen ausging. Daran konnte auch die Propaganda-Show auf dem Parteitag in der vergangenen Woche nichts ändern.

Alle Parteiaugen sind jetzt auf Bradford gerichtet. Dort findet im nächsten Monat eine Nachwahl statt. Bisher hat die Labour Party den Sitz mit knappem Vorsprung vor den Torys behaupten können. Bradford ist die Stadt mit dem größten moslemischen Bevölkerungsanteil in Großbritannien. Der Vorsitzende des „Rats der Moscheen“, Sher Azam, sagte, daß die Moslems den Ausgang der Wahl bestimmen können, wenn sie ihre Stimmen „richtig einsetzen“.

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