Polizei durchkämmt Schwulentreff

■ Aufgebot erinnerte an Terroristen-Fahndung/ Auch Hundeführer begaben sich in Lübeck ins Gebüsch/ Jugendliche gesucht, 52 Erwachsene kontrolliert

Lübeck/Berlin (taz) — Mit einem martialischen Aufgebot hat die Polizei in Lübeck den bekannten Schwulentreff „Katzenberg“ durchkämmt. An der Razzia waren auch Hunde und berittene Polizisten beteiligt. Insgesamt hatte die Polizei folgende Einheiten im Einsatz: 20 Beamte des 2. Lübecker Polizeireviers, eine Stabshundertschaft aus Eutin, vier berittene Polizisten, sechs Hundeführer und ein Boot der Wasserschutzpolizei. Die Polizisten drangen bei der Aktion auch ins Gebüsch ein und durchsuchten systematisch das gesamte Gebiet. Insgesamt wurden dabei 52 Personen kontrolliert. Ziel der Aktion war nach Polizeiangaben die Suche nach Minderjährigen, die auf dem Katzenberg angeblich als Stricher arbeiten. Die Lübecker Aids-Hilfe warf der Polizei vor, die Verhältnismäßigkeit der Mittel grob mißachtet zu haben.

Die 'Lübecker Nachrichten‘ stellten die Durchsuchung wie folgt dar: „Die Aktion begann ohne Vorwarnung, Polizisten sprangen aus ihren Fahrzeugen, bildeten eine Kette. Riesige Scheinwerfer tauchten das Unterholz in gleißendes Licht. Innerhalb weniger Sekunden umstellten am späten Freitag abend uniformierte Beamte den Katzenberg.“ Fazit derselben Zeitung: „Mit heruntergelassener Hose wurde niemand erwischt.“

Die Lübecker Polizei verteidigte die Aktion. Man habe, so Polizeisprecher Dill zur taz, zuverlässige Erkenntnisse gehabt, daß sich auf dem „Schwulentreff, wenn man das mal so drastisch sagen darf“, Jugendliche aufhalten. Auch die Schulleiter von Lübeck hätten die Polizei darauf aufmerksam gemacht. Der martialische Eindruck sei offenbar entstanden, weil man „viel Licht“ dabei gehabt habe, „das sieht dann gleich sehr gewaltig aus“. Ansonsten sei das große Aufgebot notwendig gewesen, um den Schwulentreff mit einer geschlossenen Kette zu umstellen. Außerdem habe man einen Abschreckungseffekt erzielen wollen. Niemand brauche sich diskriminiert zu fühlen, wies der Polizeisprecher Vorwürfe nach der Wirkung der Aktion auf Besucher des Treffs zurück. Die erhobenen Personalien würden keiner Kartei zugeführt.

Die Lübecker Polizei räumte ein, daß sie mehrfach Zivilfahnder am Katzenberg eingesetzt habe, um dort nach jugendlichen Homosexuellen zu suchen. Da die eingesetzten Beamten sich aber nicht szenegerecht verhalten hätten, „sind die sehr schnell verbrannt“ (aufgeflogen).

Nächste Woche soll in Lübeck ein Round-Table-Gespräch zum Thema „jugendliche Stricher“ stattfinden. Die Aids-Hilfe und die Homosexuellen-Initiative Lübeck haben der Polizei grundsätzliche Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Auf den durchschlagenden Erfolg der Lübecker Großrazzia eingehend, stellte die Aids-Hilfe jetzt fest: Steuergelder seien auf dem Katzenberg offenbar voll in die Hose gegangen. Zugleich erinnert die Aids-Hilfe daran, daß seit drei Jahren Streetworker auf dem Katzenberg im Einsatz sind. Zum Schutz von Jugendlichen sei deren Arbeit wirksamer als eine Großrazzia mit Hunden und Pferden. Manfred Kriener