: 52 Millionen für Umschulung im Ostteil
■ Hearing zur Arbeitslosigkeit/ »Technologie-Assistentenprogramm« soll schwervermittelbaren Fachschulabsolventen Arbeitsplätze sichern/ Frauen wollen nicht ins Abseits gedrängt werden
Rotes Rathaus. Der Ostberliner Magistrat will im Zeitraum 1991/92 rund 52 Millionen Mark für Umschulungsmaßnahmen ausgeben. Damit überraschte Reinhold Ossowski, Abteilungsleiter bei der Magistratsverwaltung für Arbeit und Betriebe, gestern nachmittag im Roten Rathaus die Besucher eines Hearings unter dem Motto »Erwerbslos — und wie weiter«. Unter dem Eindruck täglich steigender Arbeitslosenzahlen und immer mehr Betrieben, die in Kurzarbeit gehen, lud die Fraktion Bündnis 90/Grüne/UFV zu dieser Veranstaltung ein. Im Hintergrund stand für die Organisatoren auch, daß für eine wachsende Zahl Ostdeutscher der zuvor nur abstrakt wahrgenommene Begriff der Arbeitslosigkeit zur ureigensten Erfahrung wird.
Eingangs wies die Sprecherin des Arbeitslosenverbandes auf die psychologischen Probleme hin, die nicht nur bei Arbeitslosen immanent sind, sondern auch bei Personen, die in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden. Besonders gravierend sei dabei die Situation alleinerziehender Frauen. Eine weitere »Problemgruppe« seien Jugendliche, die aus ihrem Lehrverhältnis nicht übernommen würden. Bei ihnen bestehe die Gefahr, sich an »ein Lotterleben zu gewöhnen«.
Magistratsvertreter Ossowski erläuterte das Sonderprogramm der Ostberliner Stadtregierung. In dessen Rahmen sei vorgesehen, mittels Umschulungen die ArbeitnehmerInnen zu befähigen, in Klein- und Mittelständischen Betrieben neugeschaffene Arbeitsplätze zu belegen. Weiter kündigte er ein sogenanntes »Technologie-Assistentenprogramm« an, mit dessen Hilfe nicht vermittelbare Fachschulabsolventen doch noch untergebracht werden sollen. Der Magistrat will dabei 80 Prozent der anfallenden Lohnkosten übernehmen. Außerdem habe er die Bildung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft beschlossen. Protest erntete Ossowski mit seiner als »privat« apostrophierten Meinung, daß sich das Problem der Frauenarbeitslosigkeit mit dem steigenden Einkommen der Männer von selbst erledigen würde. Ossowski: »Wenn man die Quote der erwerbstätigen Frauen in den alten und den neuen Bundesländer gegenüberstellt, so ist es fraglich, ob es tatsächlich erstrebenswert ist, wenn 92 Prozent der Frauen erwerbstätig sind«. Im Gegensatz dazu regte die amtierende stellvertretende Stadträtin für Gleichstellungsfragen, Ute Kretzschmar, an, sowohl bei Qualifizierungsmaßnahmen als auch bei ABM eine Quotenregelung einzuführen. Auch regte sie an, Unternehmen zu beauflagen, einen gewissen Prozentsatz an Frauen einzustellen.
Der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Berlin/Brandenburg machte auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die nicht geklärte Eigentumsverhältnisse von Immobilien bei der Neugründung von Betrieben bereiteten. Seiner Meinung nach sollte man nach der Prämisse »Investitionsvergabe geht vor Rückgabe« verfahren. Auch sprach er sich dafür aus, bei »Betrieben ohne Zukunft« rigoros zu entlassen. Olaf Kampmann
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