: Und ewig röhrt die Gams
■ Blue Box zeigt Produktionen von Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll
Die Töne amüsieren und die Bilder irritieren! Diesen einfachen gemeinsamen Nenner haben die 9 Videobänder von Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll, die heute abend um 21.00 Uhr im Cafe Grün gezeigt werden. Zusammen dauern sie kaum eine halbe Stunde; deshalb wird das Programm zweimal abgespielt, und das ist auch gut so. Denn ein zweites Hinsehen ist bei diesen merkwürdigen, sich jeder eindeutigen Erklärung entziehenden Videos nötig.
Das Triviale und der Kitsch liefern das Grundmaterial, mit dem die beiden Künstler ihre witzigen, aber immer auch rätselhaften und extrem stilisierten Werke zusammenmischen. So kommt es nie zu der überheblichen, befreienden Heiterkeit, die das Erfolgsrezept das „Camp“-Humors ist, bei dem man sich so schön über den schlechten Geschmack der anderen amüsieren kann.
Denn obwohl hier Wohnzimmergemälde mit Gemsen und Elchen gezeigt werden, eine wacklige Frauenstimme „Jetzt gang i ans Brünnele, trink aber net“ singt, und eine traurige Liebesgeschichte im Supermarkt stattfindet, werden diese Partikel der Trivialkultur durch die Bilder so verwirrend kommentiert, daß neben der Komik auch immer die Verunsicherung lauert.
Was man hört ist eindeutig genug: Lieder werden gesungen, mit komischen Akzenten werden Nonsens-Texte wie „Wer kennt Clark Kent? Clark Kent kennt Clark Kent“ gesprochen oder Gemüse-und Obstsorten aufgezählt. Aber diese „Hananas“und „Bannaneen“ sind auf diverse Körperteile eines nackten Frauenkörpers verteilt und das Werk heißt dann auch noch „Fruchtbarkeit muß mehr leiden, als Unfruchtbarkeit“.
Bei „Sehr wichtig ist der Fremdenverkehr“ rahmen Nahaufnahmen von Holzmaserungen die Bilder einer singenden Frau ein: man hört ihr Volkslied aus dem Schwarzwald zwar nur einmal, aber sieht sie in drei frontalen sich überschneidenden Nahaufnahmen singen, wodurch Lied, Gesicht und Sinn immer fremder und ferner und leerer erscheinen. In „Sirenen“ fließt Wasser in verschiedenen geometrischen Figuren über den Bildschirm, dazu erklingt die Vertonung von Heines „Loreley“.
Die Videos von Dellbrügge und de Moll mögen so mysteriös und irritierend sein, weil die beiden gar nichts erzählen wollen. Stattdesssen haben sie einen lakonischen Humor und sehr kühlen Stil. Sie sind Formalisten, aber trotzdem nie langweilig.
Wilfried Hippen
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