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“Bremer Zollfahndung spielt Schicksal“

■ Entscheidende Informationen über Kokainschmuggel nicht ans Landgericht weitergegeben

Seit 14 Monaten sitzt der Kolumbianer Marino T.-L. hinter Bremer Gittern. Einziger Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft ihm macht: Sein Name stand im Notizbuch des Peruaners Daniel G.-N., der im September 1989 mit zwei Kilo Kokain unter der Jacke im Freihafen geschnappt worden war. Daniel G.-N. beteuert seitdem, Marino T.-L. sei der Auftraggeber des Kokainschmuggels gewesen. Am 17. Oktober, über ein Jahr nach der Festnahme der beiden Südamerikaner, hat der Bremer Zoll nun allerdings eine Information an das Gericht weitergegeben, die dem monatelangen Prozeß eine entscheidende Wendung geben könnte.

Einige Tage bevor der Peruaner G.-N. in Bremen die zwei Kilo Kokain von Bord des peruanischen Frachters „Unisierra“ geholt hatte, waren in Hamburg bereits 15 Fässer mit insgesamt 350 Kilo Kokain von Bord gegangen. Die Fässer — 14 mit Ochsengalle und eines mit Schokoladenpulver gefüllt — waren am 21. September 1989 in Stuttgart vom BKA untersucht und die große Menge Kokain unter dem doppelten Boden war beschlagnahmt worden. Der Bremer Zoll war wenige Tage später informiert worden.

Zweimal hatte das Bremer Landgericht danach Mitarbeiter des Bremer Zolls ausgiebig befragt, zuletzt im August 1990. Doch von den 350 Kilo Kokain, die mit dem gleichen Schiff nach Deutschland gekommen waren wie die zwei Kilo, mit denen sich das Bremer Gericht seit einem Jahr befaßt, war dabei nie die Rede. Im Gegenteil: Es gebe keine weiteren bedeutsamen Unterlagen mehr in diesem Zusammenhang, versicherte der Chef der Rauschgiftabteilung bei der Bremer Zollfahndung noch im August.

„Das Zollfahndungsamt spielt Schicksal mit meinem Mandanten“, beklagte daraufhin der Anwalt des Kolumbianers T.-L., Stefan Barton, am Freitag vor dem Landgericht und beantragte die Hinzuziehung aller Akten aus dem Prozeß um den Schmuggel der 350 Kilo Kokain in den 15 Fässern der „Unisierra“. Gleichzeitig solle zumindest der Haftbefehl für seinen Mandanten aufgehoben werden, denn mit dem Bekanntwerden der riesigen Kokainmenge, komme er als „Hintermann“ wohl nicht mehr in Frage.

Doch selbst wenn das Gericht am 6. November entscheidet, die Informationen aus dem süddeutschen Kokain-Prozeß anzufordern, wird kaum mehr Licht in den Bremer Fall kommen. Denn das BKA verweigert bislang jede Einsicht in die Akten, die immerhin acht Leitz-Ordner umfassen.

Keinen Grund, an der eigenen Anklage gegen den Kolumbianer T.-L. zu zweifeln, sieht derweil die Staatsanwaltschaft. „Man kann beruhigt davon ausgehen, daß die Bremer zwei Kilo Kokain mit den 350 Kilo in Stuttgart nichts zu tun haben“, befand Staatsanwältin Barbara Lätzel und plädierte auf Ablehung des Antrags, die dortigen Prozeßakten nach Bremen zu bestellen. Das Gericht entscheidet am 6. November über die Freilassung des Angeklagten Kolumbianers. Ase

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