AUSDEMWEITEN,FERNENAMILANDE

DERLOSTANDLONELY—TIP  ■  GIANT SAND + VICTORIA WILLIAMS

Wer sich auf Giant Sand einläßt, braucht viel Geduld. Howe Gelb, Sänger, Gitarrist und Songwriter, ist der Mann fürs Epische. Schon in ihren Anfangsjahren, als Giant Sand noch eine richtige Band war, waren ihre Songs nie geradeaus, sondern verschachtelt und exzentrisch, selbst Balladen waren nie sanft, sondern schräg und gemein, und ihre Themen waren wüstenweit entfernt von durchschnittlicher Alles-was-mir-blieb-Ich-hab'-dich-so-lieb-Lyrik. Zwar war es ein schwelgen in großen Gefühlen, aber halt nicht so platt und duselig. Indianergeschichten, Saufgeschichten, Geschichten über's Sterben und natürlich die erste große Hymne »Death, Dying And Channel 5«.

Überhaupt Geschichten. Nicht nur in seinen Songs erzählt er gerne und ausführlich, auch auf der Bühne können sich die Pausen zwischen den Stücken quälend lange hinziehen. Noch ein Geschichtchen, und eins hab' ich noch. Dabei geht die Tequila-Flasche immer mehr zur Neige, Howe Gelb wird immer betrunkener, sein Redeschwall immer ausführlicher und seine Songs, so er sie dann noch spielt, immer zerfranster. Der Mann geht nicht auf die Bühne und spielt die Songs von seinem letzten Album runter, der Mann lebt auf der Bühne.

Daß solches Verhalten auch ganz schön nervtötend sein kann, ist klar, denn wer will schon Eintritt zahlen, um einen Wüsten-Bukowski sich betrinken zu sehen. Nichtsdestotrotz ist es auch eine Abwechslung zur entnervenden Langeweile sonstiger Gigs und seine Songs und Geschichten sind immer noch grandios genug, um damit zu versöhnen.

Wie gesagt waren Giant Sand früher mal eine Band, traten vor mehr als fünf Jahren einmal im Quartier vor 52 Leuten (ich habe sie gezählt) auf und spielten bei den Zugaben dann plötzlich mit sechs Gitarren, weil sie auf der Straße noch ein paar Kumpel getroffen hatten. Seit zwei Jahren hat Howe Gelb abgespeckt, tritt nur noch mit Schlagzeuger auf. Eigentlich völlig konsequent bei seiner Art Konzerte in Selbsterfahrungstrips umzuwandeln. So steht er schön allein auf der Bühne, der Schlagzeuger grinst sich einen, während Howe erzählt. Schon passend, denn heute ist Halloween-Party im Ecstasy.

Victoria Williams kommt irgendwie aus derselben Ecke und irgendwie wieder überhaupt nicht. Vielleicht auch weil sie ganz einfach noch nicht so alt und weise und versoffen ist wie Howe Gelb, sind ihre Songs erst einmal Country. Manchmal schön schmalzig, manchmal schnippischer, öfter klingt ihre Stimme sehr nach einer nicht betrunkenen Marianne Faithful, und für meinen Geschmack hat sie zu oft die letzten Paul Simon-Platten gehört und zuviel von diesen afrikanischen Stammes-Chören in ihre Musik eingebaut. Aber das auf die Bühne zu bringen, wird wohl (hoffentlich) zu aufwendig sein. to

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