Geben Junkies den Sozialdemokraten ihre Stimme?

■ Heroinliberalisierung: Berliner SPD distanziert sich im Wahlkampf von Drogenexperten und Jugendsenatorin Klein/ Derweil ehrt die Polizeigewerkschaft den engagiertesten Vorkämpfer für die Drogenfreigabe, Berndt Georg Thamm

Berlin. Heftig zischte gestern die Lunte, die die Jugendsenatorin Anne Klein (AL) mit ihrem erneuten Vorstoß in der taz für eine liberale Drogenvergabepolitik entzündete. Während sich die AL-Fraktion eindeutig hinter ihre Senatorin stellte, hatte es der für seine restriktive Haltung bekannte Berliner Drogenbeauftragte vorgezogen, sich durch Urlaub der Debatte zu entziehen. Der jugendpolitische Sprecher der SPD, Klaus Löhe, wetterte um so lauter: Frau Klein nutze ihre Funktion als Senatorin, um die »exotische« Position des AL-Drogenbereiches zu verbreiten. Auch der 105. Drogentote in diesem Jahr kann die Sozialdemokraten nicht umstimmen. Mit der Berliner SPD, versprach Löhe den Wählern, werde es eine Legalisierung von Heroin nicht geben.

Aus wahltaktischen Motiven verschließen sich die Berliner Sozis damit potentiell zukunftsweisenden Perspektiven, denn die Legalisierung von harten Drogen hatte die gestern zu Ende gegangene Drogenkonferenz einschließlich Anne Klein gar nicht gefordert. Ganz im Sinne des Hamburger Sozialdemokraten Voscherau sowie des überwiegenden Teils internationaler ExpertInnen auf diesem Gebiet verlangten die anwesenden WissenschaftlerInnen und StreetworkerInnen eine »verschreibungspflichtige Abgabe harter Drogen an Menschen, die ansonsten dem Tod anheim fielen«. Also keine freie Verteilung der Droge an alle rund 7.500 Heroinabhängigen der Stadt, sondern die kontrollierte Vergabe an diejenigen, denen ansonsten kein anderer Ausweg mehr bleibt. Die Hilfsangebote müßten insgesamt in einer »Bandbreite von der totalen Abstinenz über die Substituierung bis hin zur kontrollierten Abgabe« vorhanden sein, betonte die Senatorin. Darüber hinaus müßten den Süchtigen, wie in der Schweiz bereits praktiziert, Räume zur Verfügung stehen, in denen sie unter Aufsicht die Droge spritzen können — was in der Bundesrepublik durch das Betäubungsmittelgesetz bislang untersagt wird. Die Kriminalisierung, so der Hamburger Drogenbeauftragte Bossong, erhöhe jedoch nur das Leid der Drogenabhängigen. Der Drogenstrich führe zudem zu einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung dieser Menschen, HIV- Infektionen seien Tür und Tor geöffnet, berichtete Ulrike Kreyssig, Vorstandsfrau des Berufsverbandes Drogen und Rauschmittel.

Den »Königsweg« in der Drogenpolitik, da waren sich die Fachleute einig, gibt es nicht. Wichtig seien deshalb konsequente Vorbeugungsmaßnahmen. Sie müßten weit mehr als bisher vernetzt werden. Darin stimmt auch Sozialdemokrat Löhe überein — und setzt ansonsten auf die Vergabe von Spritzen und Methadon, gegen die er sich vor Monaten noch mehr oder weniger heftig gewehrt hatte. Alles andere treibe die Wähler nur in die Arme der CDU.

Doch während Löhe noch wütend in Richung AL schnappte, wurde er von der Gewerkschaft der Polizei bereits im Laufschritt überholt: Die nämlich verlieh gestern dem Berliner Publizisten und bekanntesten Befürworter der Drogenfreigabe, Berndt Georg Thamm, für seine engagierte Aufklärungsarbeit ihren »Oskar«. maz