: Durchbruch bei der Verhütung?
■ Suche nach der „Pille für den Mann“ ist durch eine WHO-Studie mit 271 Testpersonen einen Schritt vorangekommen/ Aber noch immer muß der Wirkstoff gespritzt werden
London (taz) — In einer umfangreichen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist jetzt die Wirksamkeit einer empfängnisverhütenden Injektion für Männer nachgewiesen worden. 271 Testpersonen in sieben Ländern wurde wöchentlich das männliche Sexualhormon Testosteron verabreicht. Dadurch sollte die körpereigene Testosteron-Entwicklung im Hoden gestoppt werden. Nach sechs Monaten produzierten 157 Männer kein Sperma mehr. Die Hormon-Injektionen wurden bei dieser Gruppe zwölf Monate fortgesetzt. Andere empfängnisverhütende Mittel durften weder von den Testpersonen, noch von ihren Partnerinnen benutzt werden. Dabei kam es nur zu einer einzigen Schwangerschaft. Das entspricht einer Erfolgsquote von 99,2 Prozent, verglichen mit 97 Prozent für die Pille, 94 Prozent für das Diaphragma und 88 Prozent für Kondome.
Nach Absetzen der wöchentlichen Injektionen produzierten die Testpersonen im Durchschnitt nach 3,7 Monaten wieder Sperma. Sechs bis neun Monate nach der Behandlung war die Spermaproduktion wieder auf dem normalen Niveau.
Britische Mediziner sprachen von einem „Durchbruch“ in der Kontrazeptionsforschung. Dabei stehen aus dem Kontrazeptionsetat der WHO in Höhe von 20 Millionen Dollar lediglich 1,7 Millionen Dollar für Forschungsprojekte zur Entwicklung der hormonellen Kontrazeption für den Mann zur Verfügung. Der schottische Reproduktionbiologe Dennis Lincoln vom „Medical Research Council“ in Edinburgh, eines der Institute, die an der WHO-Studie beteiligt waren, sagte: „Ich glaube, das wäre eine akzeptable Kontrazeptionsmethode für Paare in festen Beziehungen und in Fällen, wo Frauen die Pille nicht nehmen können.“
Der Leiter der WHO-Studie, Eberhard Nieschlag von der Universität Münster, kritisierte dagegen, daß die Injektion wöchentlich erfolgen müsse. „Das ist für große Gruppen auf lange Sicht nicht hinnehmbar“, sagte er. Lincoln pflichtete ihm in diesem Punkt bei: „Wir müssen eine benutzerfreundlichere Methode finden, um das Testosteron zu verabreichen“, sagte er. „Vielleicht kann ein Präparat mit Depotwirkung entwickelt werden, das den Wirkstoff nur langsam freisetzt und mehrere Monate vorhält.“
Von den 271 Testpersonen brachen 27 den Versuch vorzeitig ab, weil bei ihnen unerwünschte Nebenwirkungen auftraten. Sie klagten über Akne und erhöhte Aggressivität. Nieschlag ist dennoch davon überzeugt, daß Männer das neue Verhütungsmittel schnell annehmen werden, wenn die Verabreichung vereinfacht werden kann. Wann das Präparat auf den Markt kommt, ist noch unklar. Zunächst ist eine Reihe weiterer Untersuchungen erforderlich. Lincoln, dessen Institut eine bedeutende Rolle in der Kontrazeptionsforschung spielt und die „Spritze für den Mann“ bereits in einer früheren Versuchsreihe getestet hatte, sagte, er wolle herausfinden, warum die Sperma-Produktion bei einigen Männern vollständig aufhörte, bei anderen jedoch nur eine Reduzierung eintrat. Bei einem Viertel der Testpersonen ging die Spermaproduktion lediglich zurück — möglicherweise jedoch in einem Maß, das für die Kontrazeption ausreicht. Durch eine jetzt beginnende Untersuchung soll festgestellt werden, um wieviel die Spermaproduktion mindestens reduziert werden muß, um die Kontrazeption noch zu gewährleisten. Dazu werden die statistischen Daten von Männern herangezogen, die auf Grund einer zu niedrigen Spermaproduktion zeugungsunfähig sind. Ralf Sotscheck
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