■ NEU IM FILMSTUDIO
: "Der Trost von Fremden"

Tod und Venedig — das ist ein literarischer und filmischer Topos, an dem niemand vorbeikommt, der wirklich und wahrhaftig die Stadt betritt: Siehst du die Gondeln auf dem Wasser — oder siehst du die Gondeln Trauer tragen? Riechst du den Schlamm aus den Kanälen - oder ist es der Pestgeruch, der Aschenbachs Sterben begleitet hat? Reißt dich die Schönheit von Brücken und Palästen hin — oder schauderst du vor der lasziven Arroganz verfallender Geschichte? Lächelt dir dieser Mann ganz harmlos zu — oder will er dich ins Labyrinth der Gassen locken? Alles ist Zwielicht in Venedig, Gewissheiten verschwimmen — Venedig ist der Ort, an dem dir alles möglich scheint, der Ort, an dem du glaubst, daß arglos Angefangenes tödlich enden kann. Und wenn du nun — mit einem Fuß schon auf der Reise nach Venedig — wieder einmal die Stadt im Kino siehst, reißt dir deine Sehnsucht Augen und Sinne auf: Du willst dich am Verfall berauschen, du willst die seltsame Geschichte vom englischen, gelangweilten Liebespaar im Gassengewirr Venedigs glauben. Du willst dir - obwohl du weißt: Im Kino trugen die Gondeln nur einmal diese phantastisch morbide Trauer — du willst dir trotzdem bereitwillig erzählen lassen, wie ein sexuell perverses venezianisches Ehepaar das englische Paar becirct und ins Verderben zieht. Aber Paul Schrader erzählt nur eine teure, aufs Äußerliche reduzierte Schnulze mit Ausstattungsgeschmack in Kostümierung von Armani.

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Harold Pinter schrieb das Drehbuch für den Film nach Ian McEwans Roman „Der Trost von Fremden“, und dieser Roman, der jetzt — noch ungelesen — vor mir liegt, hat in einer einzigen Buchseite mehr heimliche Spannung, mehr ungreifbar Bedrohliches als Schraders Film auch nur anzudeuten in der Lage ist. Und man muß glauben können, daß das englische Paar in dieser Stadt, auf dieser Reise den Boden unter den Füßen immer mehr verliert — sonst funktioniert die Geschichte nicht. Natasha Richardson und Rupert Everett aber bewegen sich, wie Schaufensterpuppen ausdruckslos, durch ein Diavortrags-Venedig, in dem dann und wann ein weißgekleideter Herr ihre Wege kreuzt: Das soll der Venezianer sein, der ihnen den trügerischen „Trost von Fremden“ bringt, um sie in seinen Palast zu locken. Doch Christopher Walken wirkt bloß wie ein steifer, eitler Geck, an dem das verderbend Faszinierende nicht zu spüren ist, womit sich ein orientierungslos gewordenes Paar umgarnen ließe. Umso schwüler und farbenprächtiger muß der Palazzo sein, an dem sich die Augen besaufen sollen, damit die Phantasie nicht merkt, wie schnöde sie in dem gelackten Film betrogen wird. Tod und Venedig — das ist bei Schrader ein prätentiöses, leeres Spiel. Du schüttelst dir die blankgeschrubbten Bilder aus den Augen — und freust dich auf das wirkliche Venedig in seiner unwirklichen Zwielichtigkeit. Sybille Simon-Zülch

Filmstudio, 15.30, 18, 20.30, Fr., Sa., 22.45