»Das Anstandsgefühl aller billig Denkenden«

■ Anhörung zur Diskriminierung von Prostituierten

Berlin. Eine Prostituierte, die Geld von einem Freier entgegennimmt und dann untätig bleibt, kann wegen »Betrugs« verklagt werden. Ein Freier aber, der einen ungedeckten Scheck überreicht oder gar nicht zahlt, bleibt unbehelligt. In diesem Fall nämlich berufen sich die Gerichte auf die »Nichtigkeit« des Vertrags zwischen den beiden, weil dieser gegen »das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden« verstoße. Den Billigdenkern in der männlich dominierten Rechtsprechung fällt diese Doppelmoral wohl nicht einmal auf. Wohl aber den Frauen aus der »Hurenbewegung«. Zusammen mit der AL-nahen Frauensenatorin Anne Klein und verschiedenen ExpertInnen wandten sie sich in einer gestrigen Anhörung unter dem Titel Beruf: Hure entschieden gegen diese und andere Arten der Diskriminierung.

»Im Umgang mit der Prostitution«, so die Senatorin, »zeigt sich seismographisch, wie eine Gesellschaft mit Frauen umgeht.« Berlin als neue Hauptstadt habe wenigstens dafür zu sorgen, daß hier nicht wie in anderen Großstädten und auch in Bonn unsinnige Sperrbezirke eingerichtet werden, in denen die Prostitution verboten ist.

Ähnlich wie die Sperrbezirksverordnung diene auch das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten hauptsächlich zur »Kontrolle« der Frauen, argumentierte Claudia Repetta von der Hurenorganisation Hydra. Unterstützt wurde sie von der Ärztin Tina Schwarze: Das Gesetz, das die Prostituierten in vielen Bundesländern zum ein- oder zweiwöchentlichen Aufsuchen eines Gynäkologen zwingt, sei in seiner jetzigen Form überholt, »denn Geschlechtskrankheiten gehen alle an. Doch gerade Prostituierte wissen sich am besten davor zu schützen.«

Daß sich Frauen in diesem Beruf darüber hinaus weder renten- noch krankenversichern können, so die Hydra-Vertreterin weiter, sei »unerhört und unmoralisch«. Aus all diesen Gründen sei nun von den Bonner Grünen in Zusammenarbeit mit der Hurenbewegung ein Gesetzentwurf »zur Beseitigung der rechtlichen Diskriminierung von Prostituierten« ausgearbeitet worden, der möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht werden soll. Im Zusammenhang mit dieser Initiative, so schlug die Rechtsanwältin Margarete von Galen vor, könnten dann auch die Verträge zwischen Freier und Prostituierter rechtlich neu definiert werden. usche