: Verlogener Präsidentschaftskandidat
Die irische Regierung feuerte ihren konservativen Verteidigungsminister Brian Lenihan wegen eines Politskandals/ Am Mittwoch will er bei den Wahlen antreten/ Krise nutzt der Kandidatin der Linken ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Der irische Premierminister Charles Haughey hat am Mittwoch abend seinen Stellvertreter, Verteidigungsminister Brian Lenihan, gefeuert, um seine eigene Haut zu retten. Lenihan bleibt jedoch weiterhin der Kandidat der konservativen Regierungspartei „Fianna Fáil“ (Soldaten des Schicksals) für die Präsidentschaftswahlen am kommenden Mittwoch. Seine Entlassung aus dem Kabinett war der Preis, den der kleine Koalitionspartner „Progressive Democrats“ — eine Abspaltung von Fianna Fáil — für die Ablehnung eines Mißtrauensvotums gegen Haughey gefordert hatte. Das Parlament sprach der Regierung schließlich mit drei Stimmen Mehrheit das Vertrauen aus. Lenihan stimmte für die Regierung, aus der er nur wenige Augenblicke zuvor hinausgeworfen worden war.
Die Krise brach über Fianna Fáil wie ein Blitz aus heiterem Himmel herein. Lenihan galt bis vor zehn Tagen als haushoher Favorit für die Präsidentschaftswahlen. Doch dann tauchten Behauptungen auf, daß Lenihan im Jahr 1982 — Fianna Fáil war damals in der Opposition — nach dem Zusammenbruch der Regierung beim Präsidenten angerufen und ihn bedrängt habe, Haughey ohne Neuwahlen zum Premierminister zu ernennen: ein unziemliches Verhalten für einen Präsidentschaftskandidaten. Was die Angelegenheit jedoch zum Skandal machte, war die Tatsache, daß Lenihan den Anruf hartnäckig bestritt. Er leugnete auch dann noch, als ein Student vor einer Woche ein Tonbandinterview vom vergangenen Mai veröffentlichte, in dem Lenihan nicht nur detailliert seine Anrufe beim Präsidenten beschreibt, sondern darüber hinaus erklärt, daß Haughey und andere Fianna-Fáil-Politiker den Präsidenten ebenfalls durch Telefonanrufe unter Druck gesetzt hätten.
Lenihan verstrickte sich immer weiter in ein Netz von Lügen, in dem sich schließlich auch Premierminister Haughey verfing. Ein Offizier der irischen Armee, der damals seinen Dienst im Haus des Präsidenten versah, hatte nicht nur genau Buch über die eingehenden Anrufe geführt, sondern deutete obendrein an, er sei von Haughey eingeschüchtert worden: Der Anrufer habe ihm bedeutet, daß seine „Armeekarriere beendet“ sei, falls er das Gespräch nicht augenblicklich zum Präsidenten durchstellen würde.
Am Dienstag geriet die Affäre dann endgültig zur Farce. Ein Fianna-Fáil-Staatssekretär veröffentlichte eine Presseerklärung, in der er „den Rücktritt Lenihans“ bedauerte. Davon konnte jedoch keine Rede sein: Lenihan weigerte sich bis zuletzt, freiwillig zurückzutreten, und der Hinterbänkler mußte hochroten Kopfes eingestehen, daß er das „vorsichtshalber vorbereitete“ Statement versehentlich an die Presse gegeben habe.
Für Haughey hat die Sache vermutlich noch ein Nachspiel: Die Parteibasis nimmt es ihm übel, daß er seinen Kopf auf Kosten seines langjährigen Freundes aus der Schlinge gezogen hat. Darüber hinaus könnten die offensichtlichen Lügen der Regierung zu einem sensationellen Ausgang der Präsidentschaftswahl führen. Laut einer Umfrage vom Mittwoch liegt die Kandidatin der Linken, die Feministin Mary Robinson, mit 52 Prozent in der Gunst der WählerInnen deutlich vor Lenihan, der nur noch auf 31 Prozent kam. Noch vor zwei Wochen war das Umfrageergebnis genau umgekehrt. Die Linke — und dazu zählt man in Irland auch die Sozialdemokraten — verfügt nur über zehn Prozent der Parlamentssitze. Ob Fianna Fáil, die das Land wie ein Familienclan regiert, das Ruder noch einmal herumreißen kann, ist fraglich. Ein Oppositionspolitiker meinte jedoch: „Die Fianna-Fáil-Mafia kriegt ihren Kandidaten immer durch, selbst wenn er Pol Pot heißen sollte.“
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