„Keine Einladung an Sowjetjuden“

SPD-Chef Scharping von Rheinland-Pfalz hält Zuzug für „unverantwortlich“/ Statt dessen „Hilfe vor Ort“  ■ Von Joachim Weidemann

Mainz (taz) — Als erster SPD-Landesverband lehnen die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz im Grundsatz die Einwanderung jüdischer Sowjetbürger in die BRD ab. SPD-Landeschef Rudolf Scharping bezeichnete — anders als SPD-Bundesgeschäftsführer Glotz — „eine weitere Einladung an ausreisewillige Juden aus der UdSSR“ sogar als „unverantwortlich“. Scharping dazu: „In Übereinstimmung mit den jüdischen Gemeinden sage ich: Wenn jemand auswandern will, dann soll er vorrangig nach Israel auswandern. So will es auch Israel selbst.“

Als Gründe für seine Absage an jüdische Flüchtlinge nannte Scharping, der Oskar Lafontaine nahesteht, die Knappheit an Wohnungen, Kindergärten, Schul- und Arbeitsplätzen „bei uns“ sowie die „massive finanzielle und soziale Anspannung in den Städten und Gemeinden“.

Scharping wörtlich: „Bevor ich Gäste zu mir nach Hause einlade, muß ich schauen, daß ich Platz für sie habe und ob noch was im Keller oder Kühlschrank da ist.“ Statt einer Öffnung der Bundesrepublik für jüdische Einwanderer schlug der SPD- Landeschef vor: „Wer den Juden in der Sowjetunion heute helfen will — und wer will das nicht —, der muß in ihrer angestammten Heimat und in Israel helfen.“ Konkret fordert er zweckgebundende Kredite für die Juden in der Sowjetunion, etwa um „ihre Lebensbedingungen zu verbessern“ sowie „die Herstellung von Öffentlichkeit über die Lage der Juden in der UdSSR“, um „ihre Glaubensfreiheit zu gewähren“.

Scharping versteht seinen Vorstoß indes „nicht als Einreisestopp“ für judische Sowjetbürger. Sie sollen „weiterhin Asylanträge“ stellen können. Er sprach sich in diesem Zusammenhang gegen eine Änderung des Asyl-Artikels im Grundgesetz aus. Er wehre sich jedoch dagegen, einer Volksgruppe „aufgrund ihrer Rasse oder Religion“ einen bundesrepublikanischen Freibrief auszustellen. Er kritisierte, daß Bonn zum Beispiel den ebenfalls verfolgten Sinti und Roma dieses Aufenthaltsrecht verweigere. Scharping: „Heuchelei ist noch ein dünnes Wort dafür!“ Um künftig Gleichbehandlung zu erreichen, plädiert der SPD-Landeschef „für eine Einwanderungsquote“.

Scharpings ablehnende Haltung gegen die Einladung an Juden verblüfft umso mehr, als daß er gerade in der vergangenen Woche eine allfraktionelle sogenannte „Bendorfer Erklärung“ propagiert hatte. Inhalt der Erklärung: „Ausländische Mitbürger, Aussiedler und die Menschen, die vor Krieg, Folter und Verfolgung fliehen und in unserem Land Asyl suchen, dürfen nicht in die politischen Auseindersetzunge gezogen werden. Das Schicksal dieser Menschen darf nicht zur Stimmungsmache mißbraucht werden.“ Diesen Menschen solle vielmehr „ein menschenwürdiges Leben innerhalb unserer sozialen Gemeinschaft“ ermöglicht werden.

Anders als die SPD und die Bundes-CDU erklärte die CDU Rheinland-Pfalz sich bezüglich jüdischer Einwanderer für aufnahmebereit: CDU-Landeschef Hans-Otto Wilhelm hatte gefordert, Bundes- und Landesregierung müßten „dem Wunsch vieler Juden in der Sowjetunion, nach Deutschland überzusiedeln, nachkommen“. Und der Mainzer CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster erklärte: „Wenn Deutsche Grund und Verpflichtung haben, Flüchtlinge aufzunehmen, dann sind dies vor allen anderen Gruppen Juden.“