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VOMSCHWARZENPLANETEN

DERTIPFÜRPUPERTIERENDEWÜRSTCHENKINDER  ■  PUBLIC ENEMY

Wenn man den Sprach-, Sound-, Scratch- und Rhythmusausschreitungen von Public Enemy zuhört, kann man es kaum fassen, daß sich die satt ergrauten Edeljogger Jagger & Co. vor einiger Zeit erdreisteten, ihre Tour »Urban Jungle« zu betiteln. Die ganze Lächerlichkeit des weißen Rockgebarens gab sich da preis. Das hilft dem Begehren der schwarzen Überväter des modernen HipHop natürlich nicht die Bohne. Auch die ganzen uninspiriert kritischen Abhandlungen in Sachen black racism/sexism verfehlen nicht nur ihr Ziel, sondern die Sache selbst. Muß der akurat denkende Abendländer seine Hermeneutik auf Worte anwenden, die ihren Wahrheitsgehalt nicht am Wirklichkeitsgehalt orientieren? Könnte es sein, daß sich hinter der Sprache gar Kunst verbirgt, die die Kulturelite den Tanzäffchen natürlich nicht eingestehen darf? Ist »Hure« oder »Ficken« erst dann heilig, wenn sich Henry Miller darüber ergossen hat?

Doch die Sache selbst: das sind Kriegserklärungen aus den Ghettos von New York, Los Angeles, Miami. Die meisten guten Rapacts liefern eine Art Kriegsberichterstattung ab über das sie umgebende Leben. In der Bronx und in Brooklyn fallen täglich ein halbes Dutzend von der Lebensstange, bleiben liegen, aus, mit viel Glück holt sie die Müllabfuhr ab, wenn sie nicht gerade streikt. Dieses überdimensionale Krimi/Thriller/Splatter-Klischee ist aber immer schon ein Bild gewesen, das am besten auf der Leinwand aufgehoben war.

Und nun tragen N.W.A., Ice Cube, Professor Griff und eben Public Enemy die Mythenbilder in die Realität ihrer Fans zurück. Das irritiert die moral majority natürlich immens, zumal die Bands und Soloacts bei ihrer Aufklärungsarbeit über die Zustände auf der Straße Propaganda unter das reine Wasser der Information mischen, Agitprop, was soll's (außerdem ist der Mix der Lebensnerv des HipHop, und hart und def muß er sein). Dann wird der freie Westen mobilisiert, selbst die »Tagesschau« appelliert an die Unschuld ihrer weißen Zuschauer, daß jeder sich sein eigenes Urteilsbild bilde: Boykottiert die schwarzen Teufel, kauft keine Platten in Westbronx!

Doch, süße Subversion, zuhause sitzen ihre verklemmten, vor sich hin pupertierenden Würstchenkinder und schalten von der »Sesamstraße« direkt auf Asphaltdschungel, um die Texte von Public Enemy nachzubeten. Sind ja auch voll logisch: Weiterbildung, Information über nicht vorhandene medizinische Versorgung im Armenviertel (»911 Is A Joke«) und die anhaltende Diskriminierung und Versklavung der Farbigen (»Anti-Nigger-Machine«).

Und wer den Text nicht kapiert, kann immerhin dazu hopsen, klatschen und grooven. Außerdem kann man den Leuten glauben, die da von ihrer Straße zu erzählen wissen. Tragedy, der MC der Intelligent Hoodlum, zum Beispiel hat die übliche Rapperkarriere hinter sich (Kinderhort, Jugendknast, Plattenstar), und redet nicht vom Glück, die Frau der Jade-Träume endlich finden zu können, dem kleinen Scheißglück, sondern von der kleinen Scheißscheiße, die ihm täglich begegnet. Er wird heute mit den Young Black Teenagers pushen, rushen und chillen, bevor Public Enemy wieder einmal aussprechen, wovon Bush nachts träumt. Denn selbst wenn Rambo noch im Irak aufräumen sollte, kann der graue Mann im weißen Haus mit der schwarzen Nachbarschaft seine wachsenden Probleme direkt aus dem Radio heraus tönen hören: »In Fear Of A Black Planet«. Heute machen Public Enemy den Eltern in Berlin Angst. Harald Fricke

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