: Pumps mit Paarhufin
■ Etwas andere Mode-Zeichnungen von Alrun Hartnack im Presse-Club
hierhin bitte die
Zeichnung:
Zwei Frauenköpfe
Jawahnsinn, die Frau als dreibeiniger Paarhufer mit Pumps. Dezent gescheckt, das ist aber ein Overall und keine echte Kuh. Vorne das Gesicht muht auch nicht, aber sieht so aus mit Ohrringen. Kuckt man richtig hin, sitzt da noch ein Teufelchen auf dem Rücken, vielleicht auch im Nacken, männlich, aha. Das ist untypisch, auf den anderen Bildern sind sie immer zu dritt und nur weiblich, wegen der Mode. Wo bin ich?
Im Presseclub und am anderen Ufer, so heißt jedenfalls die Ausstellung: „MODE...ihr anderes Ufer“ von Alrun Held-Hartnack oder nur Hartnack. Anderes Ufer heißt Mode als „Verfremdung der Abhängigkeit“, alles klar: Wunschbild ade, Abziehbild — nein danke, Falschtradition, Männerwelt. Also weg davon, aber wohin? Zweites Bild: drei blasse 20er-Mondänen, lang
streng gelb mantelumwickelt und überall schmal, die Frau als angezogener Strich ohne Landschaft. Weiter: wieder drei. Jetzt a la Charleston, gemixt mit einer Art Ben Hur-Helm mit Gladiator- Wedel heftig nach hinten weg.
Nächsten drei: Mit vielem Busen hinter Corsagen, oben mit Wasserwellen, im wabbelnden Gleichtanz, die Tiller-Girls als Dickmadams. Wieder drei: Mehr im Jetzt verhaftet, kühnnasig und punkig angehaucht mit Mustermix an ein und der selben Hose. Wieder drei: In überlappigen Wurmstichbraun-Mänteln und Weißwiediewand-Gesichtern. Wieder drei: Indianerinnen mit ungegenständlichen Baströckchen und Masken. Wieder drei: Tänzerinnen auf bayrisch, dreifach immergrüner Dirndl- Ausschnitt. Wieder drei: Maharadschinnen auf Art deco. Wieder drei: mit Salontroddeln und Sahne-oder Schwanhaaren.
Ham wer noch drei? Da: drei Mamutschkas, Ninotschkas, Babuschkas, Matrjoschkas? Jedenfalls vermummt mit Kopftüchern und schnauzbärtige Männlein in den Tragetaschen. Und wieder — huch: Mann und Frau. Was heißt Mann und Frau: Punkfußballer mit froschgrünem Gockel-oder Narrenkappenkamm beißt (züngelküßt?) eine Netzstrumpf- Schrille mit Pickelhaub-Busen.
Im Weggehen und Denken, daß man Mode ja durchaus kombinieren soll, finde ich Jean Paul Gaultier oder wie sie alle heißen weitaus unabhängiger und verfremdender, treffe aber auf zwei weibliche Angestellte des Hauses, macht mit mir drei (! ), da sind wir prädestiniert zum gemeinsamen Betrachten. Geschmackssache sei die Kunst, glaubt die eine, die jetzt vier Wochen immer an dem Fußballpunker und seiner Gebeißküßten vorbei muß, aber schon viel hier gesehen hat. Die andere findet, nachdem sie festgestellt hat, daß zu drei Frauen sechs Beine gehören, aber auf einem Bild nur fünf sind, schön, wenn die Künstlerin da wäre und mal sagen würde, was sie sich dabei gedacht hat.
Zu dritt stimmen wir überein, daß es Kunstverständnis und Kunstverständnis gebe. Na gut, resümiert die eine, schiefe Gesichter seien zwar komisch, aber Picasso könne sie durchaus was abgewinnen. Nun müsse ich ja was schreiben jetzt, überlegt die andere, Sie, also: „Sie, mir fiele da nix zu ein“, also jetzt nicht wegen der Kunst, sondern wegen dem Verständnis. Claudia Kohlhase
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