: Die PDS räumt die Tresore
PDS trennt sich von 80 Prozent ihres Vermögens/ Gesamtvermögen auf 2,278 Milliarden DM beziffert/ Debatte mit Treuhand über gemeinnützige Verwendung der Gelder angestrebt ■ Aus Berlin Matthias Geis
Gregor Gysi, vor zwei Wochen haarscharf am Abgang als PDS-Chef vorbeigeschlittert, präsentierte sich gestern morgen in bekannt optimistischer Manier: Der am Vortag gefasste Beschluß, wonach sich die PDS von achtzig Prozent ihres verbliebenen Eigentums trennen will, sei ein „deutlicher Schnitt in der Vermögensfrage“. Nun könne sich die Partei „aufrechten Ganges und erhobenen Hauptes“ ihren eigentlichen politischen Aufgaben zuwenden — wenngleich in wesentlich bescheidenerem finanziellen Rahmen. Mit unschlagbarer Logik versuchte Gysi auch gleich die Wehmut über den freiwillig-unfreiwilligen Verzicht zu besänftigen und die Skeptiker an der neuen Ehrlichkeit zu überzeugen: „Je weniger da ist, je weniger kann manipuliert werden.“
Noch bevor sich der Parteivorstand der PDS am Samstag mit der Schadensbegrenzung des jüngsten Finanzskandals beschäftigen konnte, hatte im Sitzungsgebäude am Köllnischen Park in Berlin bereits neues Unbill gedroht: Die spontan angereiste Parteibasis forderte eine öffentliche Vorstandssitzung. „Sonst stürmen wir die Sekte“, hieß die erfrischende Parole der Basis, die Präsidiumsmitglied Klaus Steinitz eher naiv zu kontern versuchte: „Jetzt laßt doch den Vorstand och mal über'n paar Fragen diskutieren...“ Die 15stündige Sitzung zum Finanzgebaren der Partei, zur Zukunft ihres Vermögens und zur politischen Perspektive der PDS wurde dem gemeinen Volk dann doch per Monitor nach draußen übermittelt.
Grundlage der kontrovers geführten Debatte, die am frühen Sonntag morgen in die einstimmige Beschlußfassung mündete, war der vorgelegte Finanzbericht einer „ehrenamtlichen Arbeitsgruppe aus den Basisorganisationen“. Demzufolge belief sich das gesamte Parteivermögen zum 30.September 1990 auf 2,278 Milliarden DM. Davon sind 366 Millionen DM als verfügbare Finanzmittel ausgewiesen. Das Anlagevermögen der Partei beläuft sich dem Bericht zufolge auf über 1,9 Milliarden, wobei sich diese Angabe auf den Buchwert vor der Währungsunion bezieht.
Bei der Vorstellung, solche Summen ließen sich „in Politik umsetzen“, könne man schon „das Kribbeln“ kriegen, bekannte Michael Stamm, Chefkoordinator für die Westausdehnung der Partei. Doch Stamms Erregung war eher rhetorisch gemeint: Die Partei müsse sich wohl zu der Einsicht durchringen, daß das Geld bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele eher hinderlich sei. Am Ende könne es doch bestenfalls darum gehen, ob die Partei noch Einfluß auf die Verwendung des abgegebenen Vermögens wahren könne, oder ob man der Treuhandanstalt das Geld bedingungslos „in den Rachen werfen“ müsse.
Die Gegenposition formulierte ein Gewerkschafter aus dem neugegründeten PDS-Landesverband Bayern: Es sei schlicht „unverständlich“, wenn die Partei jetzt ihre „finanzielle Selbstenthauptung“ beschließen wolle. Zwar sei eine Trennung von Vermögen aus staatlichen Quellen notwendig; doch müsse sich die PDS im Interesse ihrer zukünftigen Arbeitsfähigkeit auch an der klaren Maxime orientieren, „was einem zu eigen ist, das gehört einem“. Das „kapitalistische Grundprinzip des Rechtes auf Eigentum“ weise hier „einen gangbaren Weg“. Für solche Vorschläge konnte sich der Parteivorstand nicht erwärmen. Immerhin spielte bei der Debatte um die Kriterien der Vermögensabgabe die Differenzierung nach rechtmäßig oder unrechtmäßig erworbenem Eigentum eine gewichtige Rolle. Präsidiumsmitglied Klaus Steinitz etwa wollte in seinem Bericht das ehemalige KPD-Vermögen vor 1933 und das von den Sowjets bis 1949 übertragene Eigentum gerettet wissen.
Doch die Berufung auf Rechtstitel wollte der Vorstand am Ende dennoch nicht ins Zentrum seiner Entscheidung rücken. Denn unter den zu erwartenden langwierigen Auseinandersetzungen über rechtmäßig oder unrechtmäßig erworbenes Vermögen hätte die von Anfang an intendierte Signalwirkung des Beschlusses stark gelitten. So einigte man sich am Ende auf die pauschale 80-Prozent-Regel, von deren Plausibilität jetzt Gregor Gysi die Treuhandanstalt und die Kommission zur Überprüfung des Parteivermögens überzeugen will. Immerhin, so wirbt der Parteivorsitzende für den Beschluß, entsprächen die 20 Prozent, die man jetzt zur Aufrechterhaltung der Partei gerne retten möchte, gerade mal fünf Prozent des ehemaligen SED- Vermögens. Das allein macht freilich den Anspruch der PDS noch nicht plausibel. Er erschien auch nach der vielstündigen Debatte als willkürliche Festsetzung, die einem den Debattenbeitrag des Hallenser Vorstandsmitglieds Roland Claus in Erinnerung ruft. Das immer wieder formulierte Motto: „Behalten, was wir dringend brauchen“, so Claus selbstkritisch, lasse sich im Grunde ganz anders lesen: „Behalten, was wir dringend wünschen.“
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