Wiedergeborn to be wild

■ »John Kay and Steppenwolf« verbreiten kalifornische Rockerromantik im Metropol

Es war tatsächlich wie in Ari Kaurismäkis putzigem Film Leningrad Cowboys: Kaum erklangen die ersten Takte von »Born to be wild«, jenem unangefochtenen Kultsong aller Harley-Davidson- Hooligans der letzten zwanzig Jahre, zu dessen Tönen Peter Fonda und Dennis Hopper einst mit Jack Nicholson im Gepäck als Easy Rider über die Leinwand brausten, da begannen die massiven, schwarzgelederten Gestalten vor der Bühne mit zufriedenem Lächeln die bespeckten Bäuche und fusseligen Bärte zu schwenken. Und sogar Joachim Kraudelat, der als John Kay mit der Band »Steppenwolf« zum weltberühmtesten Rockmusiker aus deutschen Landen wurde, könnte locker bei den »Leningrad Cowboys« mitmusizieren, würde nur seine Frisur etwas spitzer zulaufen.

Mit Errol Flynn-Bärtchen, schwarzem Outfit, vornehm getönter Brille und einem süßlichen Grinsen, das er direkt dem mexikanischen Banditen, der im Schatz der Sierra Madre Humphrey Bogart den Kopf abhackt, abgeschaut haben muß, schwingt Kay den Mikroständer, spielt sporadisch den wilden Mann, versprüht kalifornische Machogestik und wirkt gelegentlich wie die Karikatur eines singenden Hell's Angels. Die drei Begleitmusiker hingegen sehen aus wie einem Kulturfilm über die Heavy Metal-Bewegung in den neuen Bundesländern entsprungen. Das Gebaren des etwas debil grimassierenden Keyboarders Michael Wilk und des in langen Unterhosen erschienenen Gitarristen Rocket Ritchotte verrät deutlich, daß die beiden eigentlich viel lieber Profi- Catcher geworden wären, und dafür nur ihre Arme zu dünn waren. Hinter dem Schlagzeug dampft es indes beständig, aber es ist während des gesamten Konzerts keine Gewißheit darüber zu erlangen, ob es sich nun um einen Spezialeffekt handelt, oder ob sich Drummer Ron Hurst nur einen Kräutertee aufbrüht.

All das ist jedoch bedeutungslos, wenn John Kay seinen Mund zu Gesangszwecken öffnet. Dann ist er sofort wieder der gute, alte Steppenwolf, der seine Stimmbänder jeden Morgen mit Schmirgelpapier putzt, der die Unterlippe so grimmig schürzen kann wie ein dreijähriges Kind, das gerade sein Plüschtier verdrischt, und der, wenn er den Zorn von früher vielleicht auch nicht mehr in sich hat, ihn auf jeden Fall trefflich spielen kann. Noch immer singt er von Vietnam, dem Krieg der Rockgeneration, ballt die Faust, ruft zu Rebellion, Protest und — voll im Zeitgeist — zur Rettung der Welt vor dem ökologischen Kollaps auf. Als Co-Sänger hat er sich sogar John F. Kennedy engagiert, mit dessen Berliner Rede er seinen Song von der Mauer und der Flucht aus den ehemaligen Nichtbundesländern, die er als Kind miterlebte, unterlegt.

Das gute an Konzerten verdienter Säulenheiliger des Rock, die verzweifelt versuchen, auch mit ihren aktuellen Produktionen einen Fuß in die Tür zu bekommen, ist, daß eigentlich nichts schiefgehen kann. Die Extravaganz, ihre großen Hits nicht zu spielen, können sie sich nicht leisten, und so war von vornherein klar, daß im Repertoire von John Kay die alten Steppenwolf-Hits »Born to be wild«, »Magic Carpet Ride« und »Monster« ebenso auftauchen würden wie »Hey Lawdy Mama«, »The Pusher«, »Sookie, Sookie« oder »Snow Blind Friend«.

»You know, I smoked a lot of grass and I popped a lot of pills«, singt John Kay authentischer denn je. Geschadet hat es ihm offenkundig nicht. Mit Leichtigkeit bringt er während des rund hundertminütigen Konzerts das gut gefüllte Metropol zum Toben. Noch braucht er das Bewerbungsschreiben an die »Leningrad Cowboys« also nicht abzuschicken. Matti Lieske