»Eine Überreaktion«

■ SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt kann die AL nicht verstehen/ Kaum noch Chance für Rot-Grün nach 2.12. INTERVIEW

taz: Wie bewerten Sie den Entschluß der AL, aus der Koalition auszutreten?

Dietmar Staffelt: Ich halte diesen Schritt für falsch. Die Räumungen in der Mainzer Straße waren aus Gründen der Wahrung des Rechtsstaates bei diesem Gewaltpotential notwendig. Wir haben festgehalten und werden festhalten an der »Berliner Linie«. Insofern ist das eine Überreaktion, die im übrigen dadurch garniert wird, daß die AL offensichtlich die Absicht hat, Momper mit einem Mißtrauensvotum zu belegen.

Was sagen Sie zu dem AL-Vorwurf, daß sie vorher überhaupt nicht informiert worden sei, daß Anfang der Woche drei Häuser geräumt werden sollten?

Wir haben schon im Sommer eine Diskussion über die Frage geführt: Wie gehen wir mit neuen Hausbesetzungen um? Es hat jeweils in Senats- und Magistratssitzungen Aufklärung über den Stand der Dinge gegben, besonders bezüglich der Abschlüsse von Verträgen mit Hausbesetzern. Die Räumungen, die am Montag erfolgten, lagen voll auf dem Kurs der »Berliner Linie«. Niemand hat damit rechnen können, daß sie zu einem derartigen Ausbruch von Gewalt in der Mainzer Straße führen würden. Ich meine, daß es bei dieser Gewaltorgie keine andere Möglichkeit gegeben hat, als die Räumung der Häuser vorzunehmen. Ich verstehe auch nicht — da die AL sich in den Koalitionsvereinbarungen zum Gewaltmonopol des Staates bekannte —, daß sie in dieser Situation die Notwendigkeit polizeilichen Handelns nicht eingesehen hat.

Was heißt das für die Zukunft: Wird es nach dem 2. Dezember eine rot-grüne Koalition geben?

Rot-Grün hat einen ganz schweren Schlag hinnehmen müssen. Nun müssen noch mehr Menschen in der Stadt bezweifeln, daß die AL tatsächlich regierungswillig, vielleicht auch regierungsfähig ist. Wir müssen die Wahlen abwarten, aber die Chancen von Rot-Grün sind damit erheblich gemindert.

Wird damit die große Koalition, die ja schon länger beschworen wird, möglich?

Wir müssen abwarten, welches Wahlergebnis uns beschert wird. Interview: kd