UNTERM STRICH

Am 17. und 18. November finden die Peter- Weiß-Tage in Zürich statt. Antonin Liehm, Lothar Baier und Jan Morgenthal diskutieren über „Lenin und dada“ und „Widerstandskulturen in Europa“. Ein literarischer Stadtrundgang führt durch die Spiegelgasse, wo Büchner, Lenin und die Dadaisten lebten und schrieben. Am Sonntagnachmittag wird dann die „Ermittlung“ von Peter Weiß in einer Inszenierung von Burkhardt Lindner aufgeführt. Veranstaltungsort ist die Quellenstraße 25.

Gestern war der Writers-in-Prison-Tag. Aus diesem Anlaß veranstaltet der Internationale Schriftstellerverband P.E.N. heute um 19.30 Uhr im Darmstädter Georg-Moller-Haus, Sandstr. 10 Lesungen mit u.a. Carl Amery, Ralph Giordano und Lea Rosh und Diskussionen. Die Einnahmen gehen an den internationalen Writers-in-Prison-Fond, der mit diesem Geld 400 JournalistInnen und SchriftstellerInnen in Haft helfen wird. Allein im Nato-Staat Türkei sind mehr als 80 AutorInnen in Haft, von denen bisher 20 als politische Gefangene vom Writers-in-Prison-Komitee des P.E.N. anerkannt wurden (bei den übrigen wird noch geprüft, ob die offiziellen Haftgründe vorgeschoben sind).

Morgen um 21 Uhr liest Peter-Paul Zahl in der Berliner Galerie Sprigeld, Lindenstr. 39, am 18.11. um 19.30 Uhr im Antiquariat Max Hoelz, Mainer Str. 4. In der aparten Pressemitteilung des Karin Kramer Verlages hierzu heißt es: „Vis-á-vis des Buchladens geht ein Pro-Mille-Kollektiv seiner sozialverträglichen Abfüllarbeit nach. — Ich dort hin. — Glück hab' ich: Ein sympathischer langhaariger Schankwirt steht und geht hier seiner Tätigkeit nach. Ich: „Könnt ihr am Samstag für den Zahl eure Kneipe wegen einer Lesung zur Verfügung stellen?“ Der AZUBI-Zapper: „Jaa, Zaahhl — weißt du, ich war auch mal im Knast; na, sooo beliebt war der Zahl nun nicht...“ Ich: „Hmmm?!?“ Er: „... also, subjektiv kann ich das nicht entscheiden; du, ich ruf dich an, o.k.; wirklich, nichts gegen Zahl...“ (Einen Tag später, nächtlicher Anruf: „Nee, Kneipe bleibt zu, mit dem Zahl geht das nicht.“) Die Verlegerin muß eine wahre Odyssee durch Berlin überstanden haben, bis sie die oben genannten Orte ausfindig machen konnte. Und weil uns diese Geschichte so rührte, zitieren wir sie auch. Peter-Paul Zahl liest aus „Die Erpresser“, Untertitel: „Eine böse Komödie“.

Mit dem albanischen Schriftsteller Ismail Kadare solidarisiert sich die Akademie der Künste zu Berlin, deren korrespondierendes Mitglied der Autor ist. In einer von ihrem Präsidenten Heiner Müller unterzeichneten Erklärung der Akademie heißt es: „Wir haben Kenntnis davon erhalten, daß Ismail Kadare aus Enttäuschung über den stockenden Gang der Demokratisierung seine Heimat verlassen hat und jetzt in Frankreich lebt. Daraufhin sind seine Bücher aus allen öffentlichen Bibliotheken aussortiert worden. Wir haben Ismail Kadare als korrespondierendes Mitglied gewählt, weil er in seinen Romanen die Vergangenheit seines Landes mit der Aktualität verbindet und wir seine Allegorien und seinen Sinn für Humor schätzen. Wir würden uns freuen, wenn er sich hier seinen Lesern vorstellte.“

Das Times Literary Supplement wird, wie die meisten heutigen Kulturzeitschriften, von einem Großverlag getragen. Seit 1981 gehört es — gemeinsam mit der 'Times‘ und der 'Sunday Times‘ — zu Rupert Murdochs Medienkonzern News International. Vor kurzem kam es zu einer Auseinandersetzung, als der seit neun Jahren amtierende Herausgeber Jeremy Treglown und zwei weitere Mitarbeiter das Blatt verließen. Angefangen hatte der Streit mit einer Überschrift: Ein gewisser Michael Hoy klingelte bei Treglown an und teilte ihm aus einem Büro des Murdoch-Konzerns mit, eine Artikel-Überschrift passe ihm nicht. Bei dieser Gelegenheit wurde Treglown klar, daß er einen Vorgesetzten bekommen hatte, noch dazu einen, dessen Ruf im Print-Medien- Bereich keineswegs für Qualität bürgt. Es bestehen Befürchtungen, daß Murdoch durch diese Berufung eine Entwicklung einleiten möchte, die zum inhaltlichen Ruin des TLS führen soll — vielleicht, um die unrentable, aber honorige Angelegenheit loszuwerden. Wenn er noch zwei Jahre damit wartet, kann er zum 90. Geburtstag des TLS schließen.

Ein Wegweiser durch die Projektelandschaft der DDR ist geplant. Mit dem Ziel, die bislang nur verdeckt existierende Infrastruktur der Projekte zu erschließen, hat sich im Frühsommer ein Ost- West-HerausgeberInnenkollektiv in die Arbeit gestürzt und macht sich an seine Verwirklichung. Im Frühjahr 1991 spätestens soll das Ergebnis in Buchform vorliegen. „Adieu DDR“ will insbesondere für die Zeit zwischen Herbst 89 und dem Beitritt zu einem zeitgeschichtlichen Dokument werden. Die Geschichte der DDR-Projekteszene ist auch die einer Zeit, in der für wenige Augenblicke Demokratie an den Runden Tischen einiges bewegte, bevor sie zur parlamentarischen Gymnastik verkam. Das Buch soll zur gegenseitigen Kontaktaufnahme und Vernetzung dienen. Die HerausgeberInnen wenden sich vor allem an Beteiligte selbstorganisiserter Projekte, aber auch an WissenschaftlerInnen, Parteien, Bewegungen und öffentliche Verwaltungen mit der Bitte, ihre Erfahrungen kundzutun. Sie legen außerdem Wert auf die Feststellung, daß sie nicht so eigensinnig sind, sich gegen Spenden und andere Zuwendungen zu wehren. Deshalb verrieten sie auch die Kontonummer ihrer Partnerin, der Kulturinitiative Förderband e.V. bei der Sparkasse der Stadt Berlin, Nr. 61812-33-2926, Kennwort „Adieu DDR“. Die Spenden dienen der Vorfinanzierung und sollen den Endverkaufspreis des Handbuches drücken. Kontakt auch über Netzwerk Berlin.

Ein ungewöhnliches Buch namens „Leipzig-Berlin“ wurde unlängst fertiggestellt: Die Autoren haben Essays und Bilder zusammengestellt, die eigensinnige Eindrücke aus der großen, inzwischen vergangenen Zeit der Heldenstätte des Geistes vermitteln und legten Wert auf eine disparate Versammlung. Die Technik verdient bibliophile Beachtung: Aquatinta-Ätzungen im Tiefdruckverfahren, Hochdruck-Linolschnitte mit handgemalten graphischen Elementen, Hochdruck- Holzrisse und -schnitte. Titelblatt im Siebdruckverfahren. Einmalige und limitierte 100er Auflage, Bezug über Frank Schüre, 1000 Berlin 36, Skalitzer Str. 49.