: »Ich trete nicht gerne zurück«
■ Umweltsenatorin Michaele Schreyer bezeichnet den Koalitionsbruch als »politischen Fehler«/ Das Herausgehen aus der Koalition ist »keine Problembewältigung« INTERVIEW
taz: Frau Schreyer, am Montag wollen Sie ihre Amtsgeschäfte abgeben. Tun Sie das gerne?
Schreyer: Nein, ich tue das überhaupt nicht gerne und ich sehe es auch als einen politischen Fehler an, daß die AL sich am Donnerstag für die Beendigung der Koalition entschieden hat. Zutreffend ist allerdings, daß die SPD sich zunehmend von der Koalition und der rot-grünen Reformpolitik verabschiedet hat. Insofern ist der Ausstieg aus der Koalition ein konsequenter Schritt. Dennoch: So kurz vor der Wahl hätten wir stärker überlegen sollen, ob man einen solchen Schritt den Wählern vermitteln kann. Die Entscheidung der AL-Fraktion war eine Überraschungsentscheidung, ohne daß die Wähler und Mitglieder der Partei die Gelegenheit hatten, diesen Schritt nachzuvollziehen und sich selber dazu zu äußern. Selbstverständlich ist es erforderlich, eine Sondersitzung des Parlaments zu verlangen. Wir müssen thematisieren, daß die SPD die Linie der Deeskalation verlassen hat. Und wir müssen die SPD dazu zwingen, einem Vermittlerausschuß zuzustimmen, um das Problem der Gewalteskalation zu bewältigen. Aber ein Herausgehen aus der Koalition ist noch keine Problembewältigung.
Das Umweltforum der Evangelischen Kirche hat Sie bereits aufgefordert, nicht zurückzutreten.
Es wird in der Tat sehr schwer, den vielen Initiativen, die meine Politik sehr unterstützt haben und die mit meiner Politik sehr einverstanden sind, den Rücktritt zu erklären.
Der Mißtrauensantrag gegen Walter Momper erbittert offensichtlich auch linke, der AL nahestehende Sozialdemokraten. Wie beurteilen Sie diesen Antrag?
Er ist ein logischer Bestandteil des Beschlusses, die Koalition zu verlassen. Damit soll deutlich gemacht werden, daß Herr Momper mitverantwortlich ist für die Ursachen des Koalitionsbruchs.
Die Bereitschaft der Sozialdemokraten, sich mit der Kritik von seiten der AL auseinanderzusetzen, ist durch den Mißtrauensantrag aber offenbar eher gesunken.
Genau diese Reaktion zeigt doch, daß die SPD ohne diesen Mißtrauensantrag den Ausstieg aus der Koalition gerade mal per telefonischem Rundruf zur Kenntnis genommen hätte, mehr nicht. Es ist ohnehin schon lange Zeit die Linie der SPD, möglichst noch vor der Wahl eine Alleinregierung zustande zu bringen und uns aus der Koalition zu treiben.
Nun meinen viele SPD-Politiker, daß die AL mit dem Mißtrauensantrag auch die Perspektive einer erneuten rot-grünen Koalition und damit einer ökologischen Stadtpolitik verbaut hat.
Ich habe da keine Befürchtungen. Viele und auch ich setzen sich nach wie vor für eine rot-grüne Koalition ein. Ich denke aber auch, daß wir dann verbindlichere Verfahrensregelungen festlegen müssen. Es geht nicht an, daß im Senat einfach der kleine Koalitionspartner überstimmt wird.
Wissen Sie schon, an wen sie am Montag ihre Amtsgeschäfte übergeben werden?
Mein Vertreter im Senat ist der Finanzsenator, Herr Meisner. Aber dem Senat steht es natürlich frei, eine andere Regelung zu treffen.
Wen hätten Sie denn gerne als Nachfolger?
Ich denke, daß es für die Politik dieses Hauses nicht gut wäre, wenn zum Beispiel Herr Nagel dieses Ressort vertretungsweise übernimmt. Ich hoffe auch sehr auf eine pflegliche Behandlung des Ressorts, denn vielleicht ist es ja doch nur eine Unterbrechung meiner Amtszeit. Interview: Hans-Martin Tillack
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