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Trommel der Revolution

■ Mzwakhe Mbuli & The Equals aus Soweto klar und wahr im Quasimodo

Seine Musik war im Rassistenstaat jahrelang verboten, von seinen Konzerten kursierten Tausende von Privatmitschnitten, seine Platten, im Ausland legal gehandelt, waren nur als Raubkopien zu erhalten — Mzwakhe Mbuli aus Soweto, Südafrika, tauchte immer wieder bei großen Anlässen wie Beerdigungen oder politischen Versammlungen auf und funktionierte diese zu Lesungen seiner Poeme mit Musikeinlagen um. Dann wanderte er für ein halbes Jahr hinter Gitter. In seinem Haus entdeckte die Polizei Sprengstoff (den sie selbst dort versteckt hatte), seine Frau wurde beinahe in die Luft gesprengt. Ihm ließ man die »übliche« Behandlung im Knast zukommen. Nur seine Popularität als Musiker dürfte ihm das Leben gerettet haben.

Izwischen ist Mzwakhes Album Change Is Pain, das schon vor vier Jahren aufgenommen wurde, auch in Südafrika erschienen und landete innerhalb weniger Tage ohne jegliche Werbung auf Platz eins der Verkaufs-Charts. Nun darf er auch im Ausland auftreten, früher verweigerte die Regierung ihm beharrlich die Reisepapiere. Seine kleine Europatournee begann am Dienstag im Quasimodo.

Der lange schlaksige Mzwakhe steht neben seinen beiden Tänzerinnen und Sängerinnen in der Mitte der Bühne, reckt seine Arme vor, schaut mit aufmerksamen Augen ins Publikum und vollführt einstudierte Tanzschritte mit den Mädchen. Als Tänzer wirkt er sympathisch unbeholfen. Seine Kraft und Ausstrahlung entsteht in seinen kleinen Reden vor den Musiktiteln. Er zitiert aus Gedichten und Liedtexten, rollt das rrrrrr unwiderstehlich. Er ist ein Prediger, ein Botschafter, will uns alles erklären, bedankt sich bei den Leuten, »die vielleicht auch hier im Publikum sind«, die den Kampf gegen die Rassisten in seiner Heimat unterstützen. Bei aller politischen Brisanz seiner Texte bleibt er aber immer in erster Linie ein Poet. Der Rhythmus seiner Sprache wird zum Grund-Beat, seine Reden werden zur Musik, noch bevor seine Kollegen zu den Instrumenten greifen. Seine Texte überzeugen nicht nur, weil sie in ihrer Einfachheit eine tiefe Wahrheit besitzen, sondern einfach, weil er es ist, der sie mit zungenbrecherischer Leidenschaft ausspricht. Diesem Mann würde ich jeden verrosteten Gebrauchtwagen abkaufen, auch ohne TÜV.

Zwischendurch trommelt er ein wenig, die Mädels singen mit ihm im Chor, wedeln mit den Röcken, stampfen breitbeinig mit den Füßen auf und lächeln einnehmend. Der Saxophonist Sipho Madondo bläst klare, gerade Linien, wirft kleine Popperlen durch die Luft. Die Gitarre hat auch hier, wie bei vielen Bands aus Südafrika, die sich auf traditionelle Zulumusik berufen, den glockenhellen Klang der Unbeschwertheit spielender Kinder. »Who is in Lusaka?« fragt Mzwakhe und verhöhnt damit die Politiker, die sich immer wieder in den »Fronstaaten« treffen und doch keine konkreten Schritte gegen die Apartheid in Südafrika unternehmen. »Who is in Lusaka? Rambo, Django, Zorro, Robin Hood?« Er greift sie alle an in seinen Texten, bezieht nicht klar Stellung für den ANC oder Inkatha. Obwohl er selbst Zulu ist, distanziert er sich von der Auseinandersetzung zwischen den verfeindeten politischen Lagern, die uns hier von den Medien meist als bloßer Stammeskonflikt geschildert wird.

Dann singt er wieder und schaut weit ins Rund, als wären wir nicht im Quasimodo, sondern im Fußballstadion von Johannesburg. Die Rhythmen umkreisen uns, die Trommeln werden zu Stimmen, Mzwakhe wird zur Trommel des Kampfes der Townships. »Now is the time. Um die Reste des Faschismus auszukotzen. Jetzt ist die Zeit, mir Rosen zu schenken und sie nicht für mein Grab aufzuheben. Yes, it is the time.« Mzwakhe weiß, das die Sache der Schwarzen noch lange nicht gewonnen ist, greift auch die BRD wegen ihrer Unterstützung des Regimes an, aber er weiß auch, und das spürt man beim Konzert hautnah, daß die Zeit der Apartheid abgelaufen ist: »Apartheid ist wie ein verwesender Leichnam. Man kann versuchen, vom Gestank mit einem Deodorant und Parfüm abzulenken, man kann den Leichnam aber auch für immer begraben«, sagt er zur Politik des »Reformers« de Klerk.

Wer dieses großartige Konzert verpaßt hat, kann sich bis zum nächsten Auftritt mit der hervorragenden Platte Change Is Pain trösten, ausgezeichnet mit dem Qualitätssiegel der südafrikanischen Zensurbehörden: »Diese Kassette mit ihrer rebellischen Musik und dem dramatischen Vortrag wird großen Einfluß bei Massendemonstrationen und unter den umstürzlerischen Gruppierungen erreichen.« Andreas Becker

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