»Vertrauen« geräumt

■ KWV hat der »Mainzer Straße« ein Bleiberecht bestätigt, die Räumung war deshalb Vertrauensbruch/ Rechtsanwalt Wieland: Chancen vor Gericht

Friedrichshain. Die Räumung und polizeiliche Absperrung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße war rechtswidrig. Diese Auffassung vertritt der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Wieland nach Einsicht in Dokumente, die der taz vorliegen.

In einer Erklärung, datiert am 21. Mai 1990, erlaubt die KWV Friedrichshain den Besetzern ein »zeitweiliges Verbleiben« in den Häusern. Gleichzeitig bietet die KWV »Ersatzobjekte« an und verspricht, »4 Wochen vor dem Termin, an dem Baufreiheit herzustellen ist, die Hausbesetzer zu informieren« und bis zu diesem Termin weder »gerichtliche noch außergerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, die auf eine Räumung der Häuser Mainzer Straße gegen den Willen der Hausbesetzer gerichtet sind«. Diese Erklärung, die die Unterschrift des damaligen Geschäftsführers der KWV Friedrichshain, Seifarth, und des ehemaligen Baudirektors des Stadtbezirks trägt, ist nie widerrufen worden und damit auch für die Rechtsnachfolgerin der KWV, die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), rechtsverbindlich.

Damit wäre der »in der Nacht vor der Räumung gestellte Räumungsantrag« (Senatssprecher Kolhoff) ein Vertrauensbruch gegenüber den BesetzerInnen. Die Polizei, so Wieland, hätte dementsprechend nur das Recht gehabt, wegen Gefahr im Verzuge die Barrikaden zu entfernen und Straftäter, allerdings auch bis in die Häuser hinein, zu verfolgen. Hinfällig könnten damit auch sämtliche Anzeigen wegen Hausfriedensbruch sein.

Nach der Feststellung des Polizeibeauftragten Ibrahim Böhme, die Räumung sei ein Wortbruch gewesen, nun auch noch ein Vertrauensbruch? Dem Friedrichshainer Bürgermeister Helios Mendiburu war das Schreiben bislang unbekannt. Nach Einsicht in das Papier schloß er sich Wielands Einschätzung an. Der wiederum empfiehlt den Besetzern den Gang zum Amtsgericht: »Die haben gute Chancen.«

Der neue Geschäftsführer der WBF, Nachfolgerin der KWV, Rotter, war auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen. Mit »fehlender Verhandlungsbereitschaft« (Regierender Bürgermeister Momper) von seiten der BesetzerInnen kann er sich aber nicht herausreden: Der taz liegen weitere Dokumente vor, die die Verhandlungsbereitschaft der »Mainzer Straße« bestätigen. Auch die »unannehmbaren Bedingungen« (Innensenator Pätzold) erscheinen im Licht dieser Papiere mehr als fragwürdig. Wie sonst könnte es Vereinbarungsentwürfe geben, die von Magistrat und Besetzern gemeinsam erarbeitet wurden? Noch am Tag nach der ersten Randale erklärten sich BesetzerInnen der Mainzer Straße 4 verhandlungsbereit. Einzige Bedingung: die Zusicherung Mompers, es werde nicht geräumt. Zu diesem Zeitpunkt saß Bärbel Bohley bereits als Vermittlerin in Pätzolds Büro. Empfangen hat er sie freilich nicht. Dirk Ludigs