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Oregon

■ Out Of The Woods

Es gibt Bands, die glaubt man völlig vergessen zu haben. Plötzlich bekommt man eine neue Platte von ihnen auf den Tisch, wundert sich, daß es die Gruppe überhaupt noch gibt, kocht sich einen Tee und schiebt die Silberscheibe vorsichtig in den neuen Lasermusikkasten. Man hört eine Oboe, ein paar sanfte Tablaschläge, eine Akustikgitarre, eine Musik die auf den ersten Blick plätschernd und belanglos zu sein scheint, die aber nach wenigen Takten das Gegenteil beweist. Es ist kein Jazz, es ist keine Weltmusik, kein Pop, kein Meditationsgeblubber, und doch von allem etwas. Es ist einfach immer noch Oregon.

Die Band besteht seit zwanzig Jahren. Ralph Towner, Glen Moore, Paul McCandless und Collin Walcott machten Ende der Siebziger genau die Musik, die man als Hintergrunduntermalung zu »intensiven Gesprächen« brauchen konnte. Die man gut hören konnte in einem Zimmer auf dem Lande, mit der schwarzen Katze vorm Ofen kauernd, nach einem Spaziergang über verschneite Wiesen und Felder. Fast so entspannend wie ein heißes Bad.

Irgendwann verließ man das Land, zog zurück in die Stadt und immer noch verströmte die Musik von Oregon diese Atmosphäre von Ruhe und Geborgenheit, die man eigentlich längst doof zu finden glaubte. In Gedanken strich man noch einmal über weiße Hügel, auch wenn in Wirklichkeit längst die LKW‘s vorm Fenster dröhnten. Dann geriet Oregon in Vergessenheit.

Und irgendwann, genauer 1984, gaben Oregon ein Konzert in der Berliner Passionskirche. Es sollte ihr letztes mit den Klängen der Sitar und den Trommeln von Collin Walcott sein. Er und der Tourmanager verünglückten tödlich auf der Transitstrecke bei Magdeburg. Damit galt auch die Band der vier verschworenen Musiker als tot.

»Er machte aus der Gruppe, was sie war, und wir wußten nicht, ob wir weitermachen könnten. Es war ein solcher Schock, daß man zusammen mit den beiden anderen immer den Verlust von Collin verspürte«, sagt Paul Mc Candless.

Dann aber spielte man bei einem Memorial-Konzert in New York mit Trilok Gurtu, einem indischen Tablaspieler der in Westdeutschland lebte, zusammen. Gurtu war der beste Freund Walcotts gewesen, spielte die gleichen Instrumente wie er, und noch zu Lebzeiten hatte Walcott einmal gesagt, wie gut Trilok Gurtu zu Oregon passen würde. Der Inder blieb in der Gruppe. Für Oregon begann eine neue Epoche.

Man experimentierte mit dem Einsatz von Synthesizern, Ralph Towner integrierte diese in sein Gitarrenspiel ohne die akustischen Anteile Oregons damit anzugreifen. Man gab Konzerte mit mehreren klassischen Orchestern und schrieb neue Stücke. Die letzte Produktion »45th Parallel« wirkt ausgereift und ausgeglichen. Wieder wurde eine Mischung aus allen Elementen erreicht, die Oregons Sound von jeher so sonderbar einmalig machten. Hört man sie, sieht man sich über schneebedeckte Felder laufen. Andreas Becker

20 Uhr in der Passionskirche

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