Abriß von 3.000 Wohnungen geplant

■ Ostberliner SPD-Stadtrat Thurmann zog Bilanz/ Amtiert er nach den Wahlen als Verkehrssenator?

Berlin. Im Ostteil der Stadt sollen etwa 3.000 Wohnungen der Abrißbirne zum Opfer fallen. Clemens Thurmann, Stadtrat für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, sagte gestern, diese Wohnungen seien »in nicht erhaltungswürdigem Zustand« und »für den Abriß vorgesehen«. Die ehemals besetzten und jetzt geräumten Häuser in der Mainzer Straße seien aber nicht darunter, versicherte der sozialdemokratische Stadtrat.

Er bescheinigte sich Erfolge im Kampf gegen den Leerstand. Dank des Einsatzes von insgesamt 570 Millionen Mark für die Instandsetzung allein im zweiten Halbjahr 1990 sei es dem Magistrat gelungen, die Zahl der leerstehenden Wohnungen von 25.000 auf 18.000 zu reduzieren. Darunter fielen auch die zum Abriß bestimmten Wohneinheiten sowie 4.700 Wohnungen, bei denen die Modernisierung bereits im Gang sei. Zum »Renner« habe sich das Mietermodernisierungsprogramm entwickelt. Mieter müßten die Hälfte der Kosten als Eigenleistung einbringen, um vom Magistrat die andere Hälfte erstattet zu bekommen. Die ursprünglich für das Programm vorgesehenen 15 Millionen Mark seien bereits nach wenigen Wochen ausgegeben worden, sagte Thurmann. Der Magistrat habe deshalb weitere Mittel bewilligt.

Neue Wohnungen sollen den Bestand ergänzen. Stadtrat Thurmann verwies auf eine »Potentialerhebung« über mögliche Wohnbauflächen, die seine Behörde jetzt vorgelegt habe. Demnach gibt es im Ostteil der Stadt zur Zeit ein Flächenpotential von 465 Hektar — Platz für 18.000 bis 24.000 neue Wohnungen. Kurzfristig seien Flächen für etwa 10.000 Wohnungen »mobilisierbar«.

Während die Behörden auf Grundstückssuche sind, müssen sie gleichzeitig mit einer Flut von Anträgen auf Rückübertragung von Grundeigentum kämpfen. Am 31.Oktober hätten sich in den Grundbuchämtern bereits 24.000 offene Anträge gestapelt. Die Bearbeitungsfristen liegen nach Thurmanns Angaben zur Zeit bei sechs bis acht Monaten.

Die Spuren der Vergangenheit tilgt Thurmanns Verwaltung auch in der Verkehrspolitik. So seien die »Honeckerschen Protokollstrecken« weitgehend beseitigt worden, Linksabbiegeverbote habe man beseitigt und Sackgassen aufgehoben. Gleichzeitig verkündete der SPD-Politiker seine »ausdrückliche Billigung« für das Verkehrsentwicklungskonzept des Regionalausschusses, das unter anderem den Bau neuer Autobahnen und Ringstraßen vorsieht. Für die Schließung des »inneren Rings« müßten mit einer Erneuerung der Oberbaumbrücke und einer neuen Verbindung zwischen Bernauer- und Invalidenstraße »sofort« die Voraussetzungen geschaffen werden. Die Autobahn in Neukölln sollte in den Bezirk Treptow hineinverlängert werden, »nicht als Autobahn, aber als Straße«.

Den Zuschnitt seines Ressorts, das die Kompetenzen für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vereinigt, hält Thurmann für »richtungweisend«, auch für die künftige gemeinsame Verwaltung des gesamten Berlins. Allerdings kann er wohl selbst nicht damit rechnen, daß sich dieses Modell durchsetzt. Intern wird der Stadtrat mit dem Ostberliner Paß nämlich schon als möglicher Verkehrssenator gehandelt — ohne die Kompetenz für Stadtentwicklung und Wohnen. hmt