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Carbolan-Arbeitskonflikt hält an

■ Pelikan-Ableger in Peru verweigert Tarifverhandlungen / 120 gefeuerte Arbeiterinnen reichen Klage ein/ Für Räumungsaktion verantwortlicher Richter erschossen

Berlin (taz) — Die Unternehmensleitung der Carbolan S. A.-Pelikan in Lima, Peru, hat wenige Tage nach der brutalen Räumungsaktion (taz v. 9. 11. 90) alle 120 festangestellten, gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen gefeuert. In gleichlautenden Entlassungsschreiben wurde als Begründung angegeben: Besetzung des Unternehmenseigentums, Entführung und Mißhandlung des Geschäftsführers. Inzwischen hat sich auch die Guerillaorganisation MRTA in den Arbeitskonflikt eingeschaltet. Am letzten Freitag wurde der Richter Cesar Ruiz Trigoso, der die polizeiliche Räumung des besetzten Werks angeordnet und die BesetzerInnen als „Bande“ bezeichnet hatte, auf der Rückfahrt von einem Empfang bei Präsident Fujimori erschossen.

Der Streik beim Peruanischen Pelikan-Ableger hatte sich an der Forderung der Beschäftigten nach einem Inflationsausgleich (Inflationsrate im letzten Jahr: 11.000 Prozent) entzündet. Am 15. Oktober hatten die 120 ArbeiterInnen das Werk besetzt, weil die Carbolan-Geschäftsführung weder verhandlungs- noch kompromißbereit war. Nach der mit Kampfpanzern und Schußwaffen durchgeführten Räumung, bei der mehrere BesetzerInnen z. T. schwer verletzt wurden, waren 28 Frauen und Männer in Haft genommen worden. Die letzten kamen erst 10 Tage nach der Räumung wieder auf freien Fuß. Die BesetzerInnen weisen die Anschuldigungen der Werksleitung als „Märchen“ zurück. Da sie z. T. Belegschaftsaktien besitzen, sie also MiteigentümerInnen seien, könne von einer unrechtmäßigen Besetzung nicht die Rede sein. Auch sei der Geschäftsführer nicht mißhandelt worden. Er sei am Tage der Besetzung eine Weile im Werk festgehalten und der Presse vorgeführt worden, habe aber keinerlei Verletzungen vorweisen können.

Die Streikenden hatten schwere Anschuldigungen gegen den inzwischen ermordeten Richter erhoben. Er habe ein Ultimatum von einer Stunde für die Räumung gestellt, obwohl die Gewerkschaft 24 Stunden vorher hätte benachrichtigt werden müssen. Wenige Tage später hat dann der zuständige Gerichtshof die Räumungsentscheidung des als korrupt geltenden Richters kritisiert, weil die BesetzerInnen keineswegs als kriminelle Vereinigung anzusehen seien. Er verfügte deshalb die Freilassung aller inhaftierten Pelikan-ArbeiterInnen.

Die gefeuerten GewerkschafterInnen haben inzwischen Klage gegen die Entlassungen eingereicht. Gleichzeitig geht der Streik in die sechste Woche, weil das Unternehmen sich nach wie vor weigert, die Tarifverhandlungen weiterzuführen. Die Unternehmensleitung versucht unterdessen, die Produktion mit Angestellten und unorganisierten ZeitarbeiterInnen wieder in Gang zu setzen, allerdings mit mäßigem Erfolg. Das Unternehmen ist durch den Streik inzwischen offenbar in Zugzwang geraten. Rund 40 streikende ArbeiterInnen aus der Abteilung Farbbänder haben vor einigen Tagen eine „Einladung zum Gespräch“ erhalten, wonach die Entlassung unter bestimmten Umständen zurückgenommen werden soll. Die 10 Mitglieder des Gewerkschaftsvorstandes sollen, nach Informationen der taz, aber in keinem Fall wieder eingestellt werden.

Die Streikenden wollen auf die Spaltungsversuche der Unternehmensleitung nicht eingehen und eine Delegation zum Gespräch entsenden. Sie sehen in der Massenentlassung den Versuch, die Gewerkschaft aus dem Betrieb „wegzufegen“. Sie distanzierten sich von der Ermordung des Richters und betonten den „rein gewerkschaftlichen“ Charakter ihres Kampfes. Martin Kempe

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