PDS-Wahlkampfleiter mußte erst »den Mut finden«

■ Hinter den Parteikulissen: Matthias Schrader leitet das Wahlbüro der Berliner PDS/ Die Partei der »Nichtpolitprofis« macht mit ihrem 600.000-Mark-Etat einen durchaus professionellen Wahlkampf/ Kaum Antworten zur eigenen Geschichte

Mitte. Eine Stunde dauert es, bis das Gespräch spannend zu werden verspricht und Matthias Schraders berufliche Oberflächlichkeit zu bröckeln beginnt. Natürlich klopft es genau in diesem Moment an seiner Bürotür im Gebäude des ehemaligen Zentralkomitees der SED in der Oberwasserstraße: Peter Zotl ist gekommen. Bleibt Schrader also dadurch die Antwort schuldig, warum er der Leiter des Wahlbüros der Berliner PDS geworden ist? Doch der Mann im rot-schwarz karierten Baumwollhemd läßt Zotl, den Spitzenkandidaten seiner Partei, vor der Tür warten.

Eine Stunde zuvor wollte der 44jährige partout nicht antworten. »Ich selbst bin doch unwichtig«, antwortete er ausweichend darauf, warum er den Wahlkamf leitet. Und sofort begann er, heftig gestikulierend, das Parteiprogramm vorzutragen, redete von illegalen Geldverschiebereien auf norwegische Bankkonten, von Aufarbeitung, die nötig sei und auch betrieben werde, von Basisdemokratie, von sozialer Gerechtigkeit, von Transparenz der Partei und so weiter und so fort. Aber auch auf die erneute Frage, welche Qualifikationen man als Chef des Wahlbüros mitzubringen habe, kam nur der abwiegelnde Satz: »Ich habe den Mut gefunden.«

Wenn es aber um das knallharte Wahlkampfgeschäft ging, sprudelte es aus dem PDSler heraus. Mit 600.000 Mark Etat finanziere man weniger die teuren Plakatierungen, sondern lieber Veranstaltungen. Entwürfe für Zeitungsannoncen, TV-Spots und Abläufe von Veranstaltungen entstünden »hier am Schreibtisch«. Seine Partei lebe von den Mitgliedern, die Politk würde — im Gegensatz zu anderen Parteien — nicht von Profis bestimmt, erklärte er. Daß aber auch die PDS mit Hilfe eines Meinungsforschungsinstituts die unübersichtlichen Pfade in die Köpfe potentieller Wähler sucht, wollte er ungern erzählen. Und den berechnenden Profi in sich verrät er spätestens, als er den Ex-Generalsekretär der CDU zitiert: »Heute besetzt man keine Rathäuser, sondern Begriffe — ohne Geißler als Vorbild nehmen zu wollen.«

Nun, nach dieser Stunde — wie gesagt, Kandidat Zotl wartet bereits vor der Bürotür —, beginnt Schrader zu erklären, warum er persönlichen Fragen bisher ausgewichen ist. Er erzähle nur ungern etwas von seiner Vergangenheit, weil Medien schnell auf einen Satz reduzieren würden. Und auf die Frage, wie das funktionieren soll — Transparenz über Widersprüche in der Partei herzustellen, ohne die Widersprüche in sich selbst durchsichtig zu machen —, wird Schrader zurückhaltend und gibt zu, daß er in Moskau studiert und in Afrika mit den »Brigaden der Freundschaft« Entwicklungshilfe geleistet habe. Auch am 1. Mai 1975 — Saigon war befreit worden — sei er mitmarschiert: »Ich habe mich wohlgefühlt.« Aber die Zeit reicht dann doch nicht mehr, um anzureißen, welche Ideale geblieben, welche zerbrochen sind und wie er es mit sich selbst vereinbart, für die SED-Nachfolgepartei Wahlkampf zu machen — Zotl wartet schließlich vor der Tür. Dirk Wildt