: Der schlafende Diego
■ Neapels ballgewandtester Bewohner ist müde PRESS-SCHLAG
Jetzt kann uns nicht einmal mehr der Besuch des Papstes trösten“, jammerte ein deprimierter neapolitanischer Friseur, nachdem der SSC Neapel tags zuvor aus dem Europapokal ausgeschieden war; schmachvollerweise nicht einmal gegen Real Madrid oder wenigstens Benfica Lissabon, sondern gegen Spartak Moskau. Ein weithin unbekanntes Team aus jenem Lande, dem gerade alles, was Beine hat und den Ball einigermaßen geradeausschießen kann, ins westliche Ausland entfleucht. Normalerweise ein europacupmäßiger Antipasto für den italienischen Meister, der allerdings im aktuellen Kampf um den Titel schon hoffnungslos zurückliegt. Und nun auch noch das! Aus im Elfmeterschießen. Basta! Finito! Eine Stadt am Boden. Was soll da der Pontifex aus Rom noch ausrichten?
Und was tut Maradona, der Mann, der mit seinen begnadeten Füßen bislang immer alles wieder hingebogen hat, der im letzten Jahr nach weit überzogenem Heimaturlaub auftauchte wie Schweinchen Dick aus der Asche und in einem furiosen Endspurt dem AC Mailand noch den Titel abjagte? — Maradona schläft! Anstatt beim Pokalspiel in Florenz das letzte im Eisen verbliebene Feuer für den SSC Neapel zu schmieden, ließ Diego der abfahrbereiten Mannschaft mittags über seinen Leibarzt Signorini ausrichten, daß er zu müde sei, um nach Florenz mitzukommen. Kein Wunder, war er doch hartnäckigen Gerüchten zufolge nach durchsumpfter Nacht gerade erst ins Bett gegangen.
Als „Diegos Sklaven“ mußten sich die Teamkameraden des Argentiniers in Florenz, neben permanenten rassistischen Beschimpfungen gegen Süditaliener allgemein und neapolitanische Süditaliener im besonderen, vom Florentiner Publikum titulieren lassen, schlugen sich aber wacker und erreichten durch ein 0:0 die nächste Runde.
Maradona schlief noch immer. Zwei Tage lang verließ er nicht das Haus, erst am Donnerstag tauchte er mißgelaunt, wortkarg und sichtlich schlechten Gewissens wieder auf dem Trainingsplatz auf. Fußballspielen mochte er allerdings nicht, beschränkte sich darauf, geschickt die Meute von Pressevertretern zu umdribbeln, ließ sich ein wenig massieren und über seinen Manager Franchi ausrichten, daß er am Sonntag bei Inter Mailand gern mitspielen möchte und alles tun werde, was er im Interesse des Clubs tun müsse.
Der Verein hat es inzwischen aufgegeben, seinem launischen Star hinterherzulaufen. „Besser ein Spiel verlieren als die Würde“, meint Trainer Bigon und Präsident Ferlaino hat Maradona zwar „satt“, würde aber neben der Würde ganz gern auch noch den einen oder anderen Punkt bewahren. Gebrauchen könnte Bigon den Argentinier in Mailand recht gut, denn ein beträchtlicher Teil des Teams ist gesperrt oder verletzt. So hängt alles davon ab, ob es dem unlustigen Ballzauberer gelingt, sich bis Sonntag einigermaßen wachzuhalten.
Wenn nicht, wird eine Prozedur in Gang gesetzt, die Maradona schon bestens kennt. Bis zu 40 Prozent kann ihm von seinem Salär abgezogen werden, wenn er seinen Pflichten, zu denen ja unter anderem das Fußballspielen gehört, nicht nachkommt. Bisher konnte er das allerdings immer verschmerzen, ohne in seiner Freizeit als Pizzabäcker arbeiten zu müssen. Eine andere Sanktionsmöglichkeit wäre die Suspendierung vom Training, eine Maßnahme, die die technisch perfekteste Schlafmütze der Welt höchstwahrscheinlich nicht unbedingt mit Entsetzen erfüllen würde. Bliebe als letztes die Auflösung des bis 1993 laufenden Vertrages. Davor aber schreckt Ferlaino noch zurück. Könnte ja sein, daß Diego doch noch mal richtig munter wird. Matti
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