Urabstimmung der Reichsbahner

Berlin (taz) — Die ReichsbahnerInnen in der ehemaligen DDR haben erst einmal die Verhandlungsschranke heruntergelassen. Nachdem sich der Reichsbahn-Vorstand nach mehrstündigen Verhandlungen am Donnerstag nicht zu einer Zusage über einen umfassenden Kündigungsschutz für die 260.000 Bahn- Bediensteten Ostdeutschlands durchringen konnte, beraumte die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) fürs Wochenende die Urabstimmung an. Die Frist läuft heute mittag aus.

Wenn die Ost-Eisenbahner mit ausreichender Mehrheit für Kampfmaßnahmen stimmen sollten — woran GdED-Vorsitzender Rudi Schäfer am Donnerstagabend keinen Zweifel ließ —, könnte die Reichsbahn ab Montag teilweise bestreikt werden. Personen- und Güterverkehr in Ostdeutschland würden „teilweise zum Erliegen kommen“, meinte Schäfer, versicherte aber gleichzeitig, daß „die Versorgung der Bevölkerung nicht in Mitleidenschaft gezogen wird“.

Weil beim Knackpunkt Kündigungsschutz nichts mehr ging, sah die Gewerkschaft auch keinen Sinn mehr in weiteren Verhandlungen um eine Lohnerhöhung auf 50 bis 60 Prozent des Westniveaus. Zwar bestreitet die Gewerkschaft nicht die Notwendigkeit eines Personalabbaus, aber der soll über Vorruhestandsregelungen, natürlichen Abgang und Arbeitszeitverkürzung abgewickelt werden. Lediglich für die zahlreichen ehemaligen Stasileute, die nach der Wende bei der Reichsbahn Unterschlupf gefunden hatten, soll es nach Schäfers Ansicht keinen Kündigungsschutz geben.

Der Eisenbahnergewerkschaft sitzt noch die Entwicklung im Westen in den Knochen: Dort hatte die Bundesbahn in ihrem Rationalisierungswahn so radikal beim Personal eingespart, daß sie nicht einmal mehr genug Lockführer hatte, um den ordentlichen Betrieb fahrplanmäßig aufrechtzuerhalten. Seit Monaten kommen die Züge in Westdeutschland nur noch ausnahmsweise pünktlich an. marke