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Spekulatius zu Kohls Kabinetts-Kränzchen

Wen kippt Kohl, wen keilt er?/ Bergmann-Pohl „leichtlebig“ und draußen, Stoltenberg „lethargisch“ und drin?  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Man nehme: Eine Handvoll Wahlprognosen, die letzten Wirtschaftsdaten, jüngste Medienberichte über BundesministerInnen und ihre Arbeit, eine gute Portion Sensationsgier, die allgemeine Freude an rollenden Köpfen. Man mische das Ganze und streue gezielt verbreitete Geheimnisse reichlich darüber. Fertig sind die Spekulatios — beliebtes Gebäck in der Vorwahlzeit.

Lothar de Maizière wird Justizminister. Lothar de Maizière wird Bundestagspräsident. Lothar de Maizière wird Familienminister. Lothar de Maizière wird Koordinator der Hilfe für die neuen Bundesländer. Lothar de Maizière wird außer Bundeskanzler, Außenminister, Finanzminister „alles was er nur will“, sagt ein Kanzlerberater, „denn schon aus moralischen Gründen hat der Mann das Zugriffsrecht auf fast jedes Amt.“ Lothar de Maizière wird gar nichts. Für jedes dieser jüngsten Bonner Gerüchte spricht ein wenig — und vieles spricht dagegen. Zum Beispiel das Justizministerium: Zwar soll es fast sicher sein, daß Hans Engelhard (FDP) die Regierung verläßt: Er ist sehr krank und überdies bei Parteichef Lambsdorff unten durch. Zwar heißt es auch, de Maizière schiele deutlich auf Engelhards Stuhl. Der allerdings wird für die Union nun doch nicht frei: Wolfgang Schäuble ( CDU), nach einem Attentat gelähmt, bleibt zunächst Innenminister, statt Alfred Dregger als Fraktionsvorsitzenden zu beerben. So kriegt Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann (FDP) nicht, wie vor allem von ihm selbst geplant, Schäubles Ministerposten. Ohne dafür ins Innenministerium einzuziehen, werden die Liberalen ihr Justizministerium jedoch nicht verlassen.

Auch als Bundestagspräsident sähe sich de Maizière angeblich gerne. Für ihn müßte jedoch Rita Süssmuth (CDU) den höchsten Stuhl im Hohen Hause räumen. Das will sie wohl nicht — schon gar nicht, um erneut unter Helmut Kohl Ministerin für Jugend und Familie zu werden. Der Kanzler möchte dem Vernehmen nach die chaotische und in der Parteirechten verhaßte Süssmuth aus dem Parlament drängen, ins Kabinett einbinden und — eine Schmeicheleinheit für die Bürger Innen aus dem Osten — den ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Maizière auf ihre repräsentative Stelle setzen. Allerdings: Rita Süssmuth hat viele einflußreiche Anhänger Innen. Und „einen blutigen Kopf holt Kohl sich für diesen Plan nicht“, heißt es im Kanzleramt. Freilich könnte der Regierungschef auch mit kleineren Blessuren davonkommen: Wenn sich Rita Süssmuth, wie fast jedes Mal bisher, schließlich doch noch von ihm herumschubsen läßt. Sicher verschwinden soll die amtierende Ministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Ursula Lehr (CDU): „Wer bitte ist die Dame“, heißt's in Bonn über Lehr, die sich seit langem für kaum mehr etwas zuständig fühlt.

Gleich wer sich in dem Gerangel Süssmuth, de Maizière, Kohl, durchsetzt — als recht sicherer Tip für das von Kohl geplante neue Gesundheitsministerium galt bisher Sabine Bergmann-Pohl. Bisher. Seit kurzem scheint die ehemalige Volkskammerpräsidentin, heutige Ministerin ohne besonderen Geschäftsbereich und Lungenärtztin in der Kanzleramtsgnade ziemlich gefallen zu sein. Sie sei doch ziemlich „wenig gestanden“ und recht „leichtlebig“ heißt es in der Umgebung Kohls.

Gerhard Stoltenberg, (CDU) so raunt es durchs Regierungsviertel, bleibt. Zwar gilt der abrüstungsunwillige Verteidigungsminister inzwischen sogar in des Kanzlers nächster Umgebung als „lethargisch, um es mal vorsichtig auszudrücken, wie er die Zeichen der Zeit verschläft“. Doch hat der sture Blonde aus dem hohen Norden einen guten Stand in der Partei. Überdies mangelt es an Alternativen. Zwar läßt Möllemann streuen, er stehe zur Verfügung. Das Kanzleramt streut aber dagegen: „Auf gar keinen Fall“. Helmut Kohl soll den geschwätzigen Kabinettskollegen, den er für schillernd und undiszipliniert hält, auf diesem Posten jedenfalls nicht haben wollen.

Haussmanns Tage sind gezählt. So lautet die herrschende Meinung über den amtierenden Wirtschaftsminister (FDP). Unfähig und faul, heißt's knapp und vernichtend wo immer von ihm die Rede ist. Über seinem Stuhl kreisen besonders zwei Namen: Hermann Otto Solms, finanzpolitsicher Sprecher der FDP- Fraktion und Rainer Ortleb, Vize- Vorsitzender der Gesamt-FDP (ehemals DDR-Liberaler).

Friedrich Zimmermann, CSU und Verkehrsminister muß schon deshalb gehen, weil er nicht mehr aufgestellt worden ist. Auf seinem Stuhl sehen die meisten in Bonn den ehemaligen DDR-Staatssekretär und heutigen Minister ohne Geschäftsbereich Günther Krause (CDU) — natürlich nur, wenn Kohl ihn nicht ruft, als Staatminister im Kanzleramt den Aufbau der neuen Bundesländer zu koordinieren.

Unbeliebt ist Entwicklungshilfeminister Jürgen Warnke (CSU). Den einzigen Protestanten und stellvertretenden Parteivorsitzenden der Christsozialen abzusägen, dürfte jedoch nicht ganz einfach sein.

Amtsmüde scheint Regierungssprecher Hans Klein (CSU). Überdies kann er sich den Unterschied zwischen erster und zweiter Lesung eines Gesetzentwurfes einfach nicht merken. Er möchte wohl ins Entwicklungshilfeministerium zurück, wäre angeblich aber auch mit dem bequemen Stuhl des Bundestagsvizepräsidenten zufrieden...

Alle anderen MinisterInnen sollen bleiben — oder auch gehen. Sicher ist nur: Helmut Kohl entscheidet erstens immer anders und zweitens als wir Bonner JournalistInnen schreiben.

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