■ NOCH 3323 TAGE BIS ZUM JAHR 2000
: Kulinarische Verpackungen

In Frankreich albern sie noch herum mit der Idee, Gebrauchsgegenstände aufzuessen. In Agde bauten südfranzösische Konditoren den größten Tennisschläger der Welt. Das 7,40 Meter lange und 2,50 Meter breite Backwerk wurde aus 900 Eiern, 20 Kilo Zucker, 25 Kilo Mehl, 45 Kilo Himbeerkonfitüre und 102 Kilogram Meringe gefertigt. Zum Schuß tränkten die Zuckerbäcker das süße Monstrum noch mit 10 Liter Schnaps und verzierten es mit Bergen von Marzipan. Als der 309 Kilo Schläger genügend bestaunt worden war, wurde er in 2.000 Stücke zerschnitten und aufgefressen.

In Holland gehen sie mit bedeutend mehr Ernst an die Sache heran. Popcorn statt Flocken oder Kugeln aus Polystyrol-Schaumstoff werden in Zukunft die Software der niederländischen Computerfirma Corblan beim Versand schützen. „Es kostet uns zwar 40 Prozent mehr, aber das Popcorn ist biologisch abbaubar“, sagte Direktor Hans Coreen. Popcorn-Liebhabern empfiehlt er jedoch, das Knabberzeug vorm Verzehr zu salzen oder zu zuckern. Denn um der Software keinen Schaden zuzufügen, muß die kulinarische Verpackung ungewürzt bleiben.

Die richtige Geschmacksrichtung ist auch bei den Göttinger Eiswaffelproduzenten Wiebrecht noch ein Problem bei ihrer eßbaren Pommes- Frites-Tüte. Damit die Tüte die herkömmlichen Portionen von 90 bis 115 Gramm der frittierten Kartoffeln fassen kann, war gegenüber den Eiswaffelmaschinen eine Neukonstruktion erforderlich. Nach Aussagen Wiebrechts, der den Marktbedarf in Europa auf 1,5 Milliarden eßbarer Pommes-Tüten schätzt, wird die umweltfreundliche Tüte kaum teurer sein als die aus Papier.

Aber die Göttinger haben anscheinend nicht mit den Holländern gerechnet. Die haben zur Zeit, was sättigendes Verpackungsmaterial angeht, eindeutig die Nase vorn. Die niederländische Kartoffelfirma Aviko hat die Marktlücke (in Europa werden jährlich 3,6 Milliarden Tüten weggeworfen) erkannt und drängt ab nächsten Monat mit ihrer eßbaren Pommes-Frites-Tüte auf den europäischen Markt. Die erste Resonanz in den Fachzielgruppen war sehr positiv, sagt das Unternehmen. Auch wenn man die Tüte nicht essen will gibt es keine Problem. Bei Nichtverzehr wird die Tüte restlos von der Natur entsorgt oder vorher von den Vögeln. Bei der Geschmacksrichtung hatten die Holländer auch keine Problem. Auf Anfrage wurde erklärt: „Natürlich schmeckt die Pommes-Tüte nach Kartoffeln.“ Karl Wegmann