Beschreiblich weiblich

■ Interview mit Redakteurin Ingrid Lorenz-Wagner zur 100sten Sendung der RB-Reihe „Frauengeschichten“

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Ingrid Lorenz-Wagner

taz: Heute um 15.30 Uhr geht Ihre 100. Frauengeschichte an den Start: Macht zehn Jahre Porträts von unkonventionellen, bekannten, engagierten Frauen — wie finden Sie ihre Hauptdarstellerinnen?

Ingrid Lorenz-Wagner: Die AutorInnen suchen von uns gemeinsam ausgewählte Frauen zum ersten Gespräch auf und dann überlegen wir, was ist spannend an dieser Lebensgeschichte; welche Botschaft kommt rüber. Bei den Prominenten geht's uns darum: können wir zeigen, was sonst nicht gezeigt wird. Dann: inwieweit ist eine Frau bereit, sich zu öffnen. Bei den Prominenten sehr schwierig! Bei den anderen wollen wir über sie hinaus auch noch ein wichtiges Thema transportieren.

Muß man Frauen schätzen, etwa gar emanzipiert sein, um über sie Filme zu machen?

Emanzipation ist natürlich ein abgegriffenes Wort. Ich identifiziere mich aber voll mit meiner Arbeit. Auch weil mein eigener Werdegang noch schwieriger war als der heutiger junger Frauen. Als ich vor 28 Jahren bei Radio Bremen anfing als Redakteurin im Familienprogrammm, war ich die erste Frau, das war ziemlich exotisch. Man hat mich damals überall als Sekretärin vorgestellt.

Was haben wir uns unter einem Familienprogramm damals vorzustellen?

Da gab's fast gar nichts. Wir hatten so um '62 ein paar eingekaufte Feldwaldundwiesen-Filme. Aber wir hatten auch einzelne Frauenfeatures, und die waren, als meine Direktoren noch alte Männer waren, sehr, sehr schwer durchzukriegen. Die hatten ja ihre Frauen zu Hause und wurden dadurch verunsichert.

Ist Ihr Sendeplatz am Nachmittag nicht eine relativ versteckte Nische?

Natürlich haben wir nachmittags eine Getto-Situation. Da kucken schon in erster Linie ältere Frauen, Hausfrauen, Kranke. Aber wir haben durchschnittlich eine knappe Million Zuschauer. Das ist nicht wenig.

Bekommen Sie Resonanz?

Doch, ja. Manche schreiben, wir sollen so weitermachen. Böse Zuschriften kamen damals bei Ingrid van Bergen: daß wir einer Mörderin Sendezeit einräumen! Hauptsächlich von Männern, die es nicht ertragen konnten, daß eine Frau, die einen Mann umgebracht hat, öffentlich so selbstbewußt auftritt.

Würden Sie Frau Süßmuth porträtieren?

Schon, wobei da eben die Frage ist, wie weit sich so eine Frau überhaupt öffnen kann.

Und jetzt also die 100. Sendung mit der Bremer Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil.

Die hat Heide Nullmeyer gemacht und dabei eine unglaublich spannende Lebensgeschichte entdeckt — und eine große Offenheit: immerhin ist sie eine Karrierefrau und war die jüngste Professorin der BRD.

Sind Sie stolz jetzt?

Doch, ja. Ich glaube, es ist die einzige Frauenreihe, die 100 Sendungen hat und weitermachen wird.

Könnten Sie sich vorstellen, Männergeschichten zu machen?

Ach Gott, die Männer haben genug Foren, um sich darzustellen. Und außerdem können Männer nicht offen über ihre Gefühle reden, und wie dann öffentlich? Ich erinnere mich auch an Sendungen aus früheren Zeiten, wie oft wir Absagen von Männern bekommen haben!

Hat sich Ihr Frauenbild, Ihr Verhältnis zu Frauen, durch die Frauengeschichten inzwischen geändert?

Sicher. Ich bemühe mich, aber das betrifft Menschen überhaupt, hinter die Kulissen zu blicken. Und dann: In den letzten 20, 30 Jahren haben sich die Frauen im Gegensatz zu den Männern unglaublich verändert. Ich finde viele Männer einfach enger angelegt als Frauen. Frauen sind nicht nur mutiger, sondern auch kraftvoller; sie haben ja auch soviel nachzuholen. Frauen sind in einer tollen Phase augenblicklich.

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